18.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Revanche der Jugoslawen

Fußball-WM 1962 in Chile: Deutschland verabschiedet sich Viertelfinale

Von Klaus Lükewille
Santiago de Chile (WB). Aller guten Dinge sind eben doch nicht immer drei. 1954 und 1958 besiegte die deutsche Fußball-Nationalelf im Viertelfinale die Jugoslawen. Bei der Weltmeisterschaft 1962 in Chile nahmen sie in der Runde der letzten Acht Revanche.

Genf war 1954 die Zwischenstation zum WM-Triumph. Mit 2:0 gewannen die Deutschen gegen die »Jugos«. Vier Jahre später reichte in Malmö ein Tor zum Einzug in das Halbfinale. Doch bei der Endrunde im Andenstaat, da hieß am 10. Juni 1962 die Endstation Jugoslawien. In der 86. Minute zimmerte Petar Radakovic den Ball unhaltbar ins Dreieck, die Deutschen waren nur noch Zuschauer.
»Dieses Spiel mussten wir nicht verlieren, es war lange Zeit offen«, erinnert sich Mittelstürmer Uwe Seeler. Der Hamburger hatte in der 90. Minute noch den Ausgleich auf dem Fuß, zog den Ball aber ganz knapp am Tor vorbei.
Aus und vorbei. Für den legendären Bundestrainer Sepp Herberger war es der letzte WM-Auftritt, zwei Jahre später wurde Helmut Schön sein Nachfolger.
Der Ball-Weise aus Hohensachsen an der Bergstraße, der sonst gern eigene Wege ging, er hatte sich beim Turnier in Chile auch dem aktuellen taktischen Trend angepasst. Herberger ließ Vorsichts-Fußball spielen. »Es war keine gute WM«, blickt Hans Schäfer zurück, der als einziger Weltmeister aus der Berner Elf noch im Kader stand.
Zudem hatte Herberger durch eine umstrittene Personal-Entscheidung vor dem ersten Anpfiff für Wirbel gesorgt. Hans Tilkowski, vorher die Nummer 1, wurde zum Reservisten degradiert. Herberger stellte den damals erst 22-jährigen Wolfgang Fahrian zwischen die Pfosten: »Er ist zurzeit in der besseren Verfassung«, begründete der Bundestrainer den überraschenden Wechsel.
Allerdings: Fahrian, heute ein erfolgreicher Spielervermittler, sollte insgesamt nur auf zehn Einsätze in der Nationalmannschaft kommen. Vier Jahre später in England war der ausgemusterte Tilkowski wieder erste Wahl.
An dem Nachwuchstalent aus Ulm lag es allerdings nicht, dass die Deutschen in Chile vorzeitig scheiterten. »Der Fahrian hat seine Sache doch ordentlich gemacht«, stellte Herberger später fest.
Stimmt. Aber der Elf fehlten auf dem Feld die großen Figuren. Zum Auftakt in der Vorrunden-Gruppe 2 servierten Deutschland und Italien eine ziemlich unbekömmliche Null-Diät. Danach feierte die DFB-Vertretung zwei Siege. 2:1 gegen die Schweiz und 2:0 gegen den Gastgeber Chile. Fünf Punkte - der Weg ins Viertelfinale war frei.
»Wieder gegen die Jugoslawen«, freute sich Kapitän Schäfer: »Die liegen uns. Die haben wir bei der WM 1954 und 1958 doch schon zwei Mal geputzt. Die haben sicherlich großen Respekt vor uns.«
Leider nicht. Die Ballkünstler vom Balkan hatten an diesem heißen Juni-Tag 1962 nur ein Ziel: Sie wollten endlich diese Deutschen ausschalten und nicht schon wieder im Viertelfinale scheitern. Angstgegner? Nein, so sahen das die Jugoslawen nicht. Ihr Weltklasse-Verteidiger Fahrudin Jusufi, von 1966 bis 1970 für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga am Ball, er trieb seine Kollegen an: »Diesmal packen wir sie.«
So kam es. Radakovic gelang das goldene Tor, Fahrian hechtete vergeblich, Herberger verließ als Verlierer die WM-Bühne.
Die Fans in der Heimat konnten diese Partie übrigens nur am Radio verfolgen. Wegen Leitungs-Schwierigkeiten gab es keine Live-Übertragung im Fernsehen, erst 24 Stunden später wurden die 90 Minuten nachgeliefert. Die Einschaltquote hielt sich allerdings in Grenzen. Denn alle wussten es ja schon: »Wir sind raus!«
Und es soll damals auch einige Spieler im deutschen WM-Aufgebot gegeben haben, die nicht ganz ungern und schnell ihre Koffer packten. Denn sie wohnten in Chile nicht in einem vornehmen Hotel - sondern in einer spartanisch eingerichteten Militärschule.

Artikel vom 18.03.2006