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Internetbetrug:
Millionenbeute
verschwunden

100 000 Opfer - Anklage erhoben

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Im bundesweit größten Fall von Computer-Einwahlbetrug hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück Anklage gegen vier Männer erhoben, darunter einen Paderborner. Den Schaden bezifferte Staatsanwalt Jürgen Lewandrowsky gestern auf zwölf Millionen Euro, mehr als 100 000 Internetnutzer sollen geschädigt worden sein.

Die in der vergangenen Woche erhobene Anklage wirft den Beschuldigten bandenmäßigen, gewerbsmäßigen Computerbetrug sowie Datenveränderung vor. Internetnutzer, die unverfänglich wirkende Seiten angeklickt hatten, war unbemerkt ein Einwählprogramm (Dialer) auf den PC geladen worden. Dieses veränderte zunächst die Sicherheitseinstellungen des Computers, stellte dann unbemerkt eine kostenpflichtige 0190-Verbindung her und löschte sich schließlich selbst. Die Computerbesitzer schöpften erst Verdacht, als die Telefonrechnung kam und pro Minute 1,89 Euro fällig wurden, in Einzelfällen summierten sich die Kosten auf 3000 Euro. »Mehrere Millionen dieser betrügerisch erlangten Gebühren überwiesen die Telefongesellschaften an die Inhaber der 0190-Nummern, wie etwa die Briefkastenfirma Liquid Inc. mit Sitz in den USA«, sagte Lewandrowski. Der Tatzeitraum soll zwischen Februar 2002 und September 2003 liegen.
Kopf der Bande soll Edward B. aus Riga sein, der in Deutschland in Untersuchungshaft sitzt. Er soll zwei Programmierer in Lettland mit dem Schreiben der entsprechenden Programme beauftragt haben. Getestet haben soll die Dialer Jörg H. aus Meerbusch, der zudem das Abrechnungssystem für die Einwählprogramme betreut haben soll. Dabei geholfen hat ihm der Anklage zufolge Ralf K. aus Essen. Der Paderborner Internet-Kaufmann Jan A. steht im Verdacht, für das Weiterleiten ahnungsloser Internetnutzer auf kostenpflichtige Seiten zuständig gewesen zu sein.
Jürgen Lewandrowsky geht davon aus, dass etwa 6,5 Millionen Euro auf Konten der Bande geflossen sind. »Das Geld ist weg«, sagte der Staatsanwalt. Offenbar in dem Wissen, dass die Bande eines Tages auffliegen werde, habe sie vorausschauend in den USA und Lettland ein Netz von Konten eingerichtet, zwischen denen das Geld hin- und hergeschoben werde: »Wenn wir endlich eine Bank ausfindig gemacht haben, ist das Geld längst weiterüberwiesen. Wir kommen an die Beute nicht heran.«
Der Paderborner Jan A. habe als einziger Beschuldigter freiwillig Vermögenswerte herausgegeben, um einen Teil des Schadens wiedergutzumachen, sagte Lewandrowsky. Zudem hatte die Staatsanwaltschaft seinen Porsche 996 und einen BMW versteigern lassen.
Gegen die beiden lettischen Programmierer und einen lettischen Anwalt, der der Bande geholfen haben soll, laufen derzeit Auslieferungsverfahren. Auch den Finanzmanager der Bande, Yavier R. aus den USA, will Lewandrowsky nach Deutschland holen. Die vier Männer sollen in einem zweiten Prozess vor Gericht gestellt werden.

Artikel vom 08.03.2006