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»Wir brauchen auch künftig einen funktionierenden Nachrichtendienst, dem man vertrauen kann.«

Leitartikel
Untersuchungsausschuss

Alles erst
aus der
Nase ziehen


Von Dirk Schröder
Eine parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste ist notwendig - daran kann es ja wohl keine Zweifel geben. Aber wie der Name schon sagt, muss vieles auch im Geheimen bleiben, wenn man effektiv arbeiten will. Wenn jetzt ein Untersuchungsausschuss die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) unter die Lupe nehmen soll, zieht damit die Opposition nicht nur ihre schärfste Waffe gegenüber der amtierenden Regierung. Auch am BND wird etwas hängen bleiben. Und gerade dies kann sich Deutschland angesichts des weltweiten Terrorismus nicht leisten. Wir brauchen weiterhin einen funktionierenden Nachrichtendienst, dem man vertrauen kann.
Auch ein Untersuchungsausschuss wird nicht alle Vorwürfe aufklären, weil natürlich viele Akten geschlossen bleiben. Wenn sich die FDP dennoch zu dem Ausschuss durchgerungen hat, ist dies die Quittung dafür, dass Regierung und BND dem Parlament nicht alles gesagt haben, was man ihm hätte mitteilen müssen. Gelegenheit dazu hat es nicht erst gestern gegeben. Es herrscht eben der Eindruck, man müsse der Regierung alles erst aus der Nase ziehen.
Da mag das Dementi der Bundesregierung zu dem Bericht der »New York Times« noch so heftig sein. Vieles in dem Bericht klingt plausibel. Und im Januar hatte die Regierung ja schon einmal etwas erzählt, was sich dann im Parlamentarischen Kontrollgremium als nicht richtig herausgestellt hat.
Der frühere SPD-Kanzleramtschef Egon Bahr zitierte einen Journalisten kürzlich so: »Wenn nichts an der Geschichte der New York Times ist und man nur die alte Regierung schlecht machen will, handelt es sich um eine Riesensauerei. Und wenn diese Geschichte stimmt, dann ist es eine noch größere Sauerei.«
Bahr will wahrscheinlich die sich immer mehr abzeichnende tiefe Verstrickung des Bundesnachrichtendienstes in den Irak-Krieg nicht wahrhaben. Aber gerade dies kann doch nicht wirklich überraschen und ist auch nicht die eigentliche »Sauerei«. Zu Beginn des Irak-Kriegs lange aufgebaute Geheimdienstkontakte zu den USA kappen und auf Informationen verzichten, das konnte nicht in Deutschlands Interesse sein.
Soldaten hat Deutschland nicht in den Irak gesandt - das wollten die USA auch nicht -, doch sonst waren wir doch stark eingebunden: ABC-Soldaten aus Höxter in Kuwait zu einer »Katastrophenübung«, AWACS-Flugzeuge mit deutscher Besatzung, tausende Bundeswehr-Soldaten, die US-Einrichtungen in Deutschland bewachten, Ramstein als logistischer Dreh- und Angelpunkt der US-Streitkräfte.
Die »Sauerei« war allein, dass Gerhard Schröder sich als Friedenskanzler hinstellte, den transatlantischen Bruch in Kauf nahm, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Um dies deutlich zu machen, braucht es keinen Untersuchungsausschuss. Dieser kann höchstens die im Moment gut funktionierende Bundesregierung beschädigen.

Artikel vom 07.03.2006