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Beckenbauer
liest Klinsmann
die Leviten

DFB-Auswahl mit Zusatz-Terminen

Düsseldorf (dpa). Jürgen Klinsmann versucht weiter am Pazifikstrand von Kalifornien das Italien-Debakel aufzuarbeiten, in der Heimat weht dem Bundestrainer derweil die Kritik immer heftiger ins Gesicht.
WM-Chef Franz Beckenbauer attackierte Klinsmann wegen seines Fehlens beim Workshop in Düsseldorf. Zudem wird mittlerweile sogar über einen Notplan für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nachgedacht. Team-Manager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Theo Zwanziger schließen nicht mehr aus, dass der Fahrplan bis zur WM kurzfristig verändert wird. Die DFB-Auswahl könnte zu weiteren Testpartien antreten, um dem Team nach dem 1:4-Debakel in Italien mehr Spielpraxis zu ermöglichen.
»Es gibt Experten, die so etwas wollen. Auch wir haben darüber diskutiert. Wir denken darüber nach, noch gegen kleinere Mannschaften zu spielen«, sagte Team-Manager Oliver Bierhoff in Düsseldorf. Dort vertritt er Klinsmann mit Trainer-Assistent Joachim Löw beim WM-Workshop. Details wie Termine oder Gegner verriet er aber nicht. Auch von der Verbandsspitze kam bereits grünes Licht. »Wenn die sportliche Leitung zusätzliche Spiele vor der WM wünscht, steht der DFB dem sehr aufgeschlossen gegenüber«, sagte Zwanziger dem Fußball-Fachblatt »kicker«.
Bislang stehen vor dem Eröffnungsspiel am 9. Juni gegen Costa Rica nur noch drei Testspiele an. Vor der Nominierung des WM-Kaders ist die USA am 22. März in Dortmund (20.30 Uhr/ZDF) der letzte Gegner, danach kommt es in der Woche vor WM-Beginn noch zu den Partien gegen Japan (30. Mai/Leverkusen) und Kolumbien (2. Juni/Mönchengladbach). Das Spiel gegen die Amateure vom FSV Luckenwalde am 16. Mai vor der Abreise in die Trainingslager auf Sardinien und der Schweiz hat keinen sportlichen Wert.
Weitere Partien würden allerdings wohl nur vor Bekanntgabe des WM-Kaders am 15. Mai Sinn machen, damit Klinsmann die WM-Tauglichkeit testen kann. Sondertermine stünden nur zur Verfügung, wenn Bayern München und Werder Bremen aus der Champions League ausscheiden würden und auch die UEFA-Cup-Teilnehmer Schalke 04 und Hamburger SV sich bald von der europäischen Bühne verabschiedeten. Als Befürworter weiterer Tests zeigte sich Ex-Bundestrainer Berti Vogts, der im »kicker« auch Partien gegen Vereinsmannschaften als Gegner ins Spiel brachte.
Die Klubs müssten aber ausgerechnet im Endspurt ihre besten Spieler zur Verfügung stellen, was den Plan unwahrscheinlich werden lässt. »Ich glaube nicht, dass wir das vor dem letzten Spieltag am 13. Mai hinbekommen würden. Aber wir müssten darüber reden«, sagte Liga-Chef Werner Hackmann.
Von Beckenbauer, der von zusätzlichen Spielen nichts hält, bekam Klinsmann die Leviten gelesen. »Es hat einfach keinen Sinn. Ich habe oft mit ihm gesprochen, dass er jetzt mehr in Deutschland zu sein hat. Es ist die Hauptzeit«, sagte er. Das Fehlen Klinsmanns in Düsseldorf konnte der »Kaiser« nicht akzeptieren. »Es ist eine Frage der Höflichkeit. Wir reisen um die ganze Welt, um den WM-Teilnehmern unsere Anerkennung und unseren Respekt auszudrücken. Und er ist bei dieser Veranstaltung nicht da«, schimpfte Beckenbauer beim Workshop, bemühte sich aber, seinen Zorn im Zaum zu halten: »Wenn ich weiter darüber nachdenken würde, würde meine Wortwahl noch drastischer.«
Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß wies Beckenbauers Kritik an Klinsmanns Wohnort Kalifornien zurück: »Die hätte auch der Franz früher anbringen müssen, wenn er so überzeugt war, dass es falsch war. Jetzt ist es zu spät.«

Artikel vom 07.03.2006