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Ein Blinder, gefangen
in Rollen und Klischees

»Homo Faber« in deutscher Erstaufführung

Bielefeld (uj). Wie konstruiert der Mensch sich seine eigene Biografie? ist eine Kernfrage in den Werken von Max Frisch. Auch in seinem Roman »Homo Faber« gerät sie zum Auslöser und Inhalt einer packenden Geschichte. Claudia Lowin und Christian Schlüter haben das Werk nun für die Bühne eingerichtet.

Nach der Uraufführung in Zürich (Januar 2006) führt das Theater Bielefeld das Stück in deutscher Erstaufführung auf. Schlüter (Regie) und Lowin (Dramaturgie) haben den lakonischen Untertitel, »Ein Bericht«, wörtlich genommen und die Ich-Geschichte auf fünf Sprecher aufgeteilt. Zu Wort kommen die drei wichtigsten Frauen im Leben von Walter Faber, Sabeth, Hanna und Ivy, sowie Faber selbst, der, mal alt, mal jung, von zwei Schauspielern verkörpert wird. Mit wenigen Änderungen, so die beiden Stückeschreiber, sei es gelungen, die Stellen, in denen Faber über die Frauen rede, von den Darstellerinnen sprechen zu lassen. Der Text der Romanvorlage sei so gut wie unverändert übernommen worden.
Im Stück geht es um Walter Faber und seine Kategorisierungen. Seine Welt ist die der Zahlen, Technik und Vernunft. Auf einer Schiffsreise trifft er Sabeth, ein junges Mädchen. Er verliebt sich in sie und entwickelt an ihrer Seite einen neuen Blick auf die Welt. Doch Sabeth verunglückt und stirbt. Im Krankenhaus trifft Faber zum ersten Mal seit zwanzig Jahren seine Jugendliebe Hanna, Sabeths Mutter, wieder. Es kommt heraus, was sie ihm stets verschwiegen hat: Dass Sabeth ihre gemeinsame Tochter ist.
Doch Einsicht in sein Verschulden bleibt Walter Faber verwehrt. Er lässt von den Rollenklischees, die er von sich und seiner Welt hat, niemals los und bleibt damit ein Blinder, gefangen in seiner Rolle und seinen Kategorien.
Für die Bühne im Theaterlabor zeichnet Anke Grot verantwortlich, die die vielen Schauplätze der Romanvorlage aufgreift und daraus einen topografischen Tummelplatz mit technischen Spielereien gemacht hat.
Die Premiere am Samstag, 11. März, 19.30 Uhr im Theaterlabor Dürkopp Tor 6 ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen im März am 15., 16., 17., 21., 22., 23., 25. und 26. sowie im April. Karten unter Telefon 51 54 54.

Artikel vom 08.03.2006