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Tom Peuckert liefert mit »2009« sein zweites Auftragswerk für das Bielefelder Theater.

Denkanstoß zur Debatte
über Rückkehr der Folter

Uraufführung von Tom Peuckerts Stück »2009« im TAMZWEI

Bielefeld (uj). Ein Kindesentführer wird von der Polizei geschnappt. Unter der Folter verrät er das Versteck des Opfers - es lebt und kann gerettet werden. So knapp der Plot von Tom Peuckerts neuem Theaterstück ist, so groß ist die Sprengkraft, die in ihm steckt.

Nach dem Stück »Luhmann«, das in der vergangenen Spielzeit erfolgreich am Theater Bielefeld lief, liefert der 1962 in Leipzig geborene Autor mit »2009« sein zweites Auftragswerk für Bielefeld ab. Peuckert wendet sich darin einem Thema zu, das auf einem realen Fall und auf der nachfolgenden Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit beruht: Darf der Staat in Krisensituationen die Folter anwenden?
Hintergrund ist die Entführung des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler. Unter Androhung der Folter hatte der Entführer den Aufenthaltsort des zu dem Zeitpunkt bereits toten Jungen verraten. »In seinem Stück spitzt Tom Peuckert die Situation aber nochmal zu. Die Folter wird vollzogen und das Kind gerettet«, erklärt Olga Wildgruber, die das Stück im TAMZWEI inszeniert.
»Das Stück erzählt von dem Tag danach«, sagt der Autor selbst. »In der Nacht musste es schnell gehen. Eine Folter für den guten Zweck. Mitten in Deutschland. Ein Verbrecher blieb jede Antwort schuldig. Unschuldige Menschen waren in tödlicher Gefahr. Nun ist es passiert. Die Grenze ist überschritten.«
Dokumentarischen Charakter beansprucht Peuckert für sein Werk aber nicht. Die handelnden Personen -Ê ein Polizist, der Entführer, sein Pflichtverteidiger und eine Ärztin -Ê bilden den privaten Grund, auf dem sich die schwelende Debatte entzündet. »Eine Moraldebatte wird nicht geführt. Allerdings gibt das Stück Denkanstöße«, sagt Wildgruber.
Der Titel »2009« spielt mit apokalyptischen Zukunftsprognosen. Soll heißen: Im Jahr 2009 wird unsere demokratische Gesellschaft so weit sein, die Folter wieder für legitim zu erklären. »Bis dahin werden sich innerer und äußerer Druck auf die Mediendemokratie so weit verstärkt haben, dass man auf dieses Mittel zur Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte zurückgreifen muss. Mit anderen Worten: Unsere Demokratie ist möglicherweise instabiler, als wir das hoffen. Das Stück versucht, diesbezügliche Entwicklungstendenzen in der Gegenwart aufzuspüren. Es ist also unbedingt ein Gegenwartsstück«, betont Tom Peuckert.
Und es ist eine mögliche Antwort auf die Frage und das Motto der Schauspielsaison, das da lautet: »Wie wollen wir leben?«
Die Premiere am Freitag, 10. März, ist bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 17., 18. März, 5., 6. April sowie in Planung. Karten telefonisch unter 51-54 54.

Artikel vom 09.03.2006