06.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Katz streichelt das Klavier mit Samtpfoten

Späte Schubert-Sonaten betörend interpretiert

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Interpret nehme den Vergleich bitte nicht übel: Aber wer mit solchem Namen eine Pianistenkarriere einschlägt und dann mit solch zart schmeichelnder Anschlagskultur über die Tastatur streichelt, provoziert eine Assoziation an Samtpfoten. In jedem Fall aber verfügt Amir Katz über magische Finger und ein emphatisch-empfindsames Einfühlungsvermögen ohne gleichen.

Keine Frage: Die Juroren des Schubert-Wettbewerbs Dortmund haben 2003 eine echte Pianistenpersönlichkeit zum Sieger erkoren. Zwei der drei von Franz Schubert noch in seinem Todesmonat (September 1828) komponierten Sonaten präsentierte Amir Katz in der Kammerkonzertreihe Müller. Das überschaubare Publikum darf sich auf die Schenkel klopfen, dass es an diesem unwirtlichen Sonntagmorgen den Weg in den Kleinen Saal der Oetkerhalle nicht gescheut hatte.
Denn Amir Katz gewann Schuberts A-Dur Sonate 959 Facetten ab, die die ihr zugrunde liegende Liedhaftigkeit weit überschritten. Zwischentöne hörbar zu machen und Stimmungen gekonnt in der Schwebe zu halten, ist eine Spezialität des 1973 in Israel geborenen Pianisten. In allem weist Katz eine glückliche Verbindung aus Anschlagsgenauigkeit, intelligenter Notenanalyse und musikalischem Einfühlungsvermögen auf. Um zu beeindrucken, muss er das massige Akkordthema im Allegro nicht effektvoll hämmernd runterspielen. Mit verhaltener Dynamik und dafür um so ausgefeilterer Agogik erreicht er eine Stimmung zwischen Aufbruch und Suche. Katz verklärt, anstatt zu erklären, auch dort, wo er -Êwie im Scherzo -Êmit federnd leichter Pointierung und raffinierter Vorschlagstechnik auftrumpft.
Den tastenschmeichelnden Klangmagier gibt er vollendet in der B-Dur Sonate 960. Kontemplativ, fast schon philosphisch wirkt sein Spiel auf einfache Weise. Mit bezwingender Ruhe verneigt er sich im Andante sostenuto vor der traurigen Melodie, die Schubert wie einen Abschied an die schöne Welt der Lieder komponiert hat. Federnd und mit ausgeklügeltem Bewegungsdrive beschließt er das Werk in wohlgemuter Musizierlust. -ÊDrei Zugaben, darunter eine Chopin-Etüde so klar und sprudelnd wie ein Gebirgsbach - erklatschte sich das Publikum. Wer Katz verpasst hat, erhält am 2. April, 11 Uhr, eine neue Chance, wenn er seinen Schubert-Zyklus fortsetzt.

Artikel vom 06.03.2006