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Glückwunsch - Blatter bestens im Blatt

FIFA-Boss Joseph S. Blatter
»Richtig peinlich war Ihnen ...«
Der »Kicker« wollte es genau wissen - und Joseph S. Blatter antwortete: »Eigentlich nichts.«
Und deshalb ist es dem Präsidenten des Welt-Fußball-Verbandes (FIFA) auch garantiert nicht ganz unangenehm, wie sein FIFA-Magazin ihn feiert. Er wird heute 70 Jahre alt. Und in diesem Blatter-Blatt, Ausgabe März 2006, muss man mal blättern. Blatter, immer wieder Blatter. Er lächelt schon vom Titel-Blatt. Dann: ein vier Seiten langes Interview, es folgt eine sechs Seiten umfassende Laudatio.
Ehre, wem Ehre gebührt.
Sogar die »Times«, ist hier zu lesen, zählt ihn zu den einflussreichsten Männern der Welt. Mal ehrlich: Da sind zehn Seiten in der eigenen Verbands-Postille doch eigentlich etwas mickrig - oder?
Denn Blatter wird hier blätterweise als Diplomat, Chef und Star vorgestellt. Als Arbeiter, Denker und Lenker. Er sei unermüdlich, visionär, kühn und witzig.
Halt, es reicht. Genug gelobt.
Doch nein, auf der Schleimspur im FIFA-Magazin darf weiter gerutscht werden. Die Fortsetzung der kritiklosen Anbiederung liest sich so: Professionell, zielgerichtet und vor
Lükewilles
Querpass

allem integer ist dieser Mann selbstverständlich auch noch.
Aus. Jetzt aber Schluss.
Denn es soll auch andere Ansichten über ihn geben. Nicht wenige Fußball-Fachleute halten den Schweizer nämlich für machtbesessen, selbstherrlich, arrogant, intrigant, womöglich sogar korrupt.
Aber das steht auf einem anderen Blatt. Solche Einschätzungen findet man im FIFA-Heft selbstverständlich nicht. Stattdessen: der gute Mensch aus der Schweiz. Ein Mann mit besten Eigenschaften. Ein Präsident von Format. Denn hier wird tatsächlich behauptet: »Dank Joseph S. Blatters Qualitäten genießt der Fußball-Sport eine so hohe Stellung.«
Alle Achtung.
Wenn einer so viel geleistet hat, dann reichen die Girlanden-Texte nicht mehr. Da müssen auch Bilder-Rahmen her. Und so ist Blatter dann in dem Magazin seitenlang zu besichtigen. Als Mann von Welt mit Präsidenten und anderen Größen. Blatter neben Ronald Reagan. Blatter neben Nelson Mandela. Blatter neben Kofi Annan. Blatter neben Pelé. Dazu ein paar Privat-Fotos, die den »anderen« Blatter zeigen sollen. Den Menschen. Als Frohnatur, Kenner, Urlauber, Genießer.
Und, unverzichtbar: Blatter mit vielen, vielen kleinen Kindern. Das kommt immer wieder gut an.
Macht zusammen 27.
27 Blatter-Bilder in einem Blatt.
Hier wird der FIFA-Präsident, der selbstverständlich eine weitere Amtszeit anstrebt (»Der Fußball ist noch nicht da, wo ich ihn hinhaben will«) nur von Erich Honecker übertroffen. Als der die DDR kommandierte, verbeugte sich das »Neue Deutschland« noch ein Stückchen tiefer. Da gab es eine Ausgabe mit 32 Honecker-Bildern.
Übrigens: Auch dem alten Zonen-Erich war das damals überhaupt nicht peinlich.
Klaus Lükewille ist Leiter der Mantelsportredaktion

Artikel vom 10.03.2006