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Amor erzielt einen Volltreffer

WM-Paten im WESTFALEN-BLATT (Folge 2): Christina Hodde aus Mexiko

Von Sandra Knefel
und Oliver Schwabe (Foto)
Rahden (WB). Fußball ist für Christina Hodde eine Herzensangelegenheit. Denn mit der Weltmeisterschaft 1986 kam auch die Liebe in ihre Heimat Mexiko. Während einer Fußballfeier lernte die damals 26-jährige Christina Santillan in Mexiko-Stadt ihren späteren Ehemann Reinhard Hodde, ein »Fußballnarr« aus Rahden, kennen.

Gastgeber Mexiko schied vor 20 Jahren im Viertelfinale gegen Deutschland aus, Deutschland verlor das Finale gegen Argentinien. Alles egal. Fußball ist zwar die schönste Nebensache der Welt, aber nicht die Hauptsache. »Diese Weltmeisterschaft hat unser Leben verändert«, sagt Christina Hodde. Denn Amors Schuss war ein Volltreffer ins Herz: 1988 heiratete das Paar, das mit seinen Kindern Marco (21) und Dayana (17) in Sielhorst lebt.
»Reinhard ist ein richtiger Fußballnarr«, erzählt sie. 1986 flog er mit einem Freund zur WM - drei Tage vor dem Finale dann die Begegnung mit der jungen Geschäftsfrau namens Christina Santillan. »Nach der WM wollte Reinhard noch vier Wochen Strandurlaub in Acapulco machen. Dort hat er es aber nur einen Tag ausgehalten und ist dann zurückgekommen - meinetwegen«, erzählt die Mexikanerin. »Damit er nicht allein war in meiner großen Stadt, habe ich drei Tage Urlaub genommen.«
Zwei Jahre nach der ersten Begegnung war es so weit: Die Mexikanerin verließ ihre Heimat, kam nach Ostwestfalen und heiratete im Dezember 1988 ihren »Fußballnarren«. Und das hat sie nie bereut, obwohl ihr das Fortgehen schwer gefallen ist. »Es war eine harte Zeit. Plötzlich hatte ich das Gefühl, keine Identität mehr zu haben. Ich habe es aus Liebe getan.« Längst gefällt es Christina Hodde, die als Exportsachbearbeiterin arbeitet, gut in Ostwestfalen. Ihre jetzige Heimat Sielhorst sei ein krasser Gegensatz zu Mexiko-Stadt. »Ich schätze und genieße hier vor allem die Natur, die Ruhe und die Gelassenheit der Menschen. Mein Geburtsort ist von Hektik und Lärm geprägt.«
Fußball gehört noch immer zum Leben von Christina und Reinhard Hodde. Oft hat sie ihn zu seinem Lieblingsverein Werder Bremen begleitet. »Mir gefällt die Atmosphäre im Stadion und die Art, wie die Menschen ihre Gefühle ausleben. Dann singe und feiere ich mit.« Auch zu Hause wird bald gefeiert. »Wir werden so viele WM-Spiele wie möglich mit Freunden verfolgen. Dabei fiebere ich für Mexiko, mein Mann drückt Deutschland die Daumen. In unserem Wohnzimmer hängen zwei verschiedene Flaggen.« Bei der WM 2002 habe sie, wann immer ihre Mannschaft erfolgreich gewesen ist, die grün-weiß-rote Fahne Mexikos am Balkon aufgehängt.
In Mexiko stehe nach einem Sieg der Nationalelf das alltägliche Leben oft still, erzählt Christina Hodde. Menschen tanzen in den Straßen, dazu musizieren Mariachis, die traditionellen fahrenden Musikgruppen, und manchmal komme der ganze Verkehr zum Erliegen. Fußball bedeute Lebensfreude, Ausgelassenheit, Feiern, Gemeinschaft. Menschen treffen sich -ÊMänner, Frauen, Jung und Alt. »Wenn es um Fußball geht, sind alle zusammen. Jeder bringt etwas zu Essen oder Getränke mit. Und immer wird getanzt, Fiesta ist unser Lebenselixier.«
Früher sei ihr Liebling der mexikanische Nationalspieler Hugo Sanchez gewesen. »Er hat sehr kunstvolle Tore geschossen und war in Mexiko ein absoluter Star«, schwärmt sie. »Im Endspiel 1986 haben wir Mexikaner alle zu Argentinien gehalten und nicht zu den Deutschen«, erinnert sie sich und fügt lächelnd hinzu: »Aber da kannten Reinhard und ich uns auch noch nicht richtig.«
Nach ihrer Einschätzung haben die Mexikaner in Deutschland gute Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale. »Mexiko ist zurzeit sehr stark. Vielleicht kommt auch Deutschland ins Viertelfinale, obwohl die Mannschaft im Moment nicht besonders überzeugt«, meint Christina Hodde. »Die Mexikaner spielen mit dem Herzen, die Deutschen eher mit dem Kopf.« Den Titelverteidiger Brasilien hält sie für den großen Favoriten. Ob nun die Spielweise der Deutschen erfolgreicher ist oder der mexikanische Fußball mit Herz -Êdarauf kommt es Christina Hodde nicht an. »Das Schöne am Fußball ist die Gemeinschaft, in Mexiko immer verbunden mit Fiesta. Vielleicht haben die Menschen in meinem Heimatland wenig Geld, aber eine große Menge Lebensfreude.«

Artikel vom 09.03.2006