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Reich der Mitte vorne

Tischtennis: Eingebürgerte und Jugend prägen die DM

Von Ingo Notz
Minden (WB/tz). Die chinesische Mauer steht. In Minden. Im deutschen Tischtennis. Bei den 74. nationalen Meisterschaften in der Kampa-Halle. . .

Hier waren die zwei »eingedeutschten« Jung-Nationalspielerinnen Wu Jiaduo und Zhenqi Barthel mit der Maximalausbeute von drei Titeln die Stars mit dem Fragezeichen hinter dem Star mit dem Ausrufezeichen: Timo Boll dominierte zum sechsten Mal hintereinander die Herren-Klasse. Positiver DM-Aspekt: Die Jugend forscht erfolgreich. . .
Die dritte Deutsche Meisterschaft in den vergangenen zehn Jahren in Ostwestfalen knüpfte nahtlos an die hervorragenden Ausgaben in Bielefeld 1996 und 2003 an. In diesem Jahr stand der nationale Saisonhöhepunkt nicht im Schatten, aber ganz im Zeichen der Mannschafts-WM, die in sieben Wochen in Bremen stattfinden wird. Dort wollen die Deutschen, vor allem die Herren, die Asiaten angreifen - vor allem die Chinesen. Die waren es letztlich auch, die das große Favoritensterben bei den Deutschen am besten überlebten - oder es für sich zu nutzen wussten. In Person von Zhenqi Barthel kulminierten beide Haupterkenntnisse: Jugend und Ex-Chinesen auf dem Vormarsch. Die 19-Jährige wurde in China groß und fand dann den Weg nach Deutschland, »weil hier die Chancen im Tischtennis für mich besser sind«. Wie gut, das zeigte sich im Mixed am Samstag schon. Das gewann sie zusammen mit Jugend-Weltmeister Patrick Baum gegen die OWL-Asse Nadine Bollmeier/Thomas Brosig (Frotheim/Enger).
Noch deutlicher wurde ihre Einschätzung allerdings im Damen-Einzel bestätigt, denn da wurde Barthel zur größten Überraschung der Spiele. Wohlwissend, dass es für sie um die letzte Chance im Rennen um die WM ging, schaltete sie im Viertel- und Halbfinale zwei sichere WM-Fahrerinnen aus - darunter keine Geringere als die Rekordmeisterin und Weltranglisten-16. Nicole Struse (Kroppach). Die WM-Dritte im Mädchen-Einzel krönte gestern ihren Siegeszug in der Kampa-Halle mit einem 4:2-Erfolg gegen Jessica Göbel (Bad Driburg).
»Ich kann es gar nicht fassen. Ernsthaft hatte ich nicht an den Titel gedacht«, sagte Barthel zum größten Meisterschafts-Coup seit Struses Sensationssieg 1987 in Berlin.
Ganz neue Namen in der Siegerliste waren diesmal auch Kroppacher Damen-Duo Nicole Struse/Wu Jiaduo - damit holte sich auch die zweite Ex-Chinesin ihren ersten Nationaltiel - und die Mixed-Kombination Zhenqi Bartel/Patrick Baum. Der 18-jährige Jugend-Weltmeister Baum, der vom Boll-Club Gönnern nach Frickenhausen wechselt, und die ein Jahr ältere Barthel als zweifache Meisterin waren die Turnier-Entdeckungen.
Nicht nur die Jugend Marke Barthel forscht - auch Timo Boll ist auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Fast noch mehr Schlagzeilen als sein siebter Meistertitel produzierte Boll mit der Bekanntgabe seines neuen Vereins. Im Sommer schlägt Boll zum zweiten Mal in der chinesischen Super-Liga auf. Der Ex-Europameister hat einen Vertrag bei Zhejiang Hongxiang unterschrieben. »Zwischen dem 1. Juli und 18. August werde ich zehn Partien für diesen Club bestreiten«, sagte Boll.
So stand auch diesbezüglich Minden ganz im Zeichen des chinesischen Einflusses auf Tischtennis-Deutschland. . .

Artikel vom 06.03.2006