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Tausende Minijobs in Gefahr

Einzelhandel und Zeitungsverleger kritisieren geplante Abgabenerhöhung

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Der Einzelhandelsverband befürchtet den Wegfall von hunderttausenden Minijobs, wenn die Bundesregierung an ihren Plänen festhält und die Pauschalabgaben auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse von 25 Prozent auf 30 Prozent erhöht.

Am kommenden Mittwoch will das Bundeskabinett ein entsprechendes Gesetz beschließen.
Viele Einzelhandelsgeschäfte müssten ihre Serviceleistungen zurückschrauben, so warnte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), Holger Wenzel, am Freitag in Berlin vor einem solchen Gesetz. »Läden, die eine bis zwei Stunden früher schließen, und lange Schlangen an den Kassen wären dann keine Seltenheit.«
Wenn die Bundesregierung jetzt nicht die Notbremse ziehe, würden sich die Pauschalabgaben bei einem Nettoeinkommen von 400 Euro auf 120 Euro statt wie jetzt auf 100 Euro belaufen. Für die Einzelhandelsunternehmen mit ihren etwa 800000 geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen würde dies jedes Jahr 192 Millionen Euro an Mehrkosten bedeuten.
Auch bei den Zeitungsverlegern stößt die Erhöhung der Pauschalabgabe auf heftige Kritik. Es sei völlig widersinnig, wenn die Bundesregierung einerseits propagiere, die Lohnnebenkosten zu senken und sie andererseits für ein Segment des Arbeitsmarktes drastisch erhöhe, erklärte dazu ein Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Bereits heute sei die Pauschalabgabe bei den Minijobs höher als der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung bei versicherungspflichtig Beschäftigten. »Mit solchen Aktionen werden sämtliche Bemühungen, den wirtschaftlichen Aufschwung zu beschleunigen und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen, konterkariert.« Die Zeitungsbranche würde vor allem im Zustellerbereich von der neuen Belastung getroffen. Die Verlage und die Zustellgesellschaften beschäftigen 180000 Stammzusteller mit einem durchschnittlichen Verdienst von 300 bis 400 Euro.
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen hält eine erhöhte Abgabe auf Minijobs für ein völlig falsches Signal. »Die geplante einseitige Erhöhung geht zu Lasten der Arbeitgeber,« sagte IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden. Es sei zwar wichtig, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gestärkt werde, denn nur sie entlaste die Sozialsysteme. Minijobs hätten sich aber als sinnvolle und attraktive Ergänzung erwiesen. »Eine zusätzliche Belastung der Minijobs macht diese unattraktiver.«
In Ostwestfalen ist die Zahl der Minijobs laut IHK-Angaben von 2002 bis heute um 60 Prozent erheblich gestiegen. Die Kammer schätzt die Zahl der geringfügig Beschäftigten in Ostwestfalen auf 180000. Besonders weit verbreitet seien diese Jobs in Handel, Gastgewerbe und anderen Dienstleistungsbranchen. S.4: Kommentar

Artikel vom 04.03.2006