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Theo Zwanziger,
Fußballbund-Boss

»Bei der WM spielen wir in Schwarz-Weiß. Die roten Trikots von Florenz waren nur Ausweichbekleidung.«

Leitartikel
Politik - eine Alternative?

Ein Teamchef
und die
Zeit danach


Von Rolf Dressler
Jetzt geht's los, jetzt geht's los! Aber richtig!
Ganz weit nach vorn spielen wollte sich - wenigstens für ein paar Wochenend-Stündchen - ein Bundestags-Hinterbänkler, der als CDU-»Sportexperte« bislang noch niemandem nennenswert aufgefallen war. Norbert Barthle heißt der Gute. Aber nicht nur das.
Er fände es »schön«, wenn der Herr Klinsmann dem Sportausschuss des Bundestags nach der 1:4-Schmach gegen Italiens Leichtfuß-Kicker seine Konzeption für das Großprojekt Fußballweltmeister 2006 nunmehr doch noch einmal näher darlegen würde.
Barthle hält dies nachgerade für des Team-Chefs Ehrenpflicht. Denn zum einen erwarte die arg verunsicherte Nation seit der grausamen Klatsche von Florenz, wie überhaupt und von wem die Truppe ruckartig wieder auf Kurs gebracht werden könne. Und zum zweiten ist die Deutschland AG ja schließlich schon seit Gerhard Schröders Kanzler-Zeiten der größte Sponsor der WM 2006.
Zwar blockte der Sportaus- schuss-Vorsitzende Peter Dan- ckert von der SPD das Verlangen Barthles sofort kontermäßig ab. Doch wer weiß, ob da nicht noch anderes im Schwange ist?
Laut Fußballbund-Boss Theo Zwanziger gehört Jürgen Klinsmann zu den Menschen, die »ei- nen sehr engen Vertrauenszirkel um sich herum brauchen«; in einem Kreis von 20 Leuten werde er zu jedem freundlich sein, aber nicht auf jeden hören.
Hätte der »Klinsi« dann womöglich nicht sogar die Qualifikation für den Wechsel in die großmächtige Berliner Politik? Zum Beispiel als zweiter Vizekanzler und Regulativ neben jenem Koalitions-Mitvorsteher, den Vertraute nur kurz »Münte« rufen? Natürlich dürfte Klinsmann erst nach dem Endspiel-Schlusspfiff ins neue Fach wechseln, versteht sich.
Wahres Führungsformat erweist sich gerade auch im politischen Geschäft daran, dass man nicht jedem Zwischenrufer am Kabinettstisch nachhängt. Dafür stehen, ein jeder auf seine Art, Deutschlands Kanzler von Konrad Adenauer und Willy Brandt bis zu Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Angela Merkel.
»Wir wollen nicht Vorbereitungs-Weltmeister werden«, versichert wie der Pfeifer im düsteren Tann seit der Gruselnacht von Florenz DFB-Chef Theo Zwanziger. Dass er bei Jürgen Klinsmann sozusagen auf den falschen Fuffziger gesetzt haben könnte, weist er kategorisch von sich: Zu »Klinsi« gebe es »überhaupt keine Alternative«. Punkt. Ende der Durchsage.
Nach dem deftigen 0:3-Rückstand gegen die Italiener bereits zur Pause hätten Klinsmanns Mannen dank einer »gewaltigen Leistungssteigerung« die zweite Halbzeit doch sehr respektabel 1:1 unentschieden gestaltet, witzelte WESTFALEN-BLATT-Abonnent Ludwig Wessel aus Herford in einer Leserzuschrift. Und in der Tat, wie wäre die Partie wohl ausgegangen, hätte es noch eine dritte »Halbzeit« gegeben?
Kopf hoch, »Klinsi«, jetzt erst geht es richtig los ...!

Artikel vom 06.03.2006