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Zur Verlagerung gezwungen

US-Autobauer setzen Zulieferer unter Druck -Ê»Preise kein Argument«

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Die Einkäufer großer Automobilkonzerne zwingen ihre Zulieferer, Teile an Standorten in Osteuropa oder Fernost zu produzieren. Dies gilt nach Angaben aus der Branche selbst für solche Komponenten, die aus logistischen Gründen billiger in Deutschland oder einem anderen westeuropäischen Staat hergestellt werden könnten.

Vorreiter dieser diskriminierenden Einkaufspolitik sind offenbar die nordamerikanischen Konzerne General Motors (GM) und Ford. Wie das WESTFALEN-BLATT aus Branchenkreisen erfuhr, soll nach GM-Vorstellung in fünf bis acht Jahren die Hälfte aller zugelieferten Komponenten aus asiatischer (bevorzugt: chinesischer, indischer)ÊProduktion stammen. Einige Teile müssen schon jetzt zu 100 Prozent in Osteuropa gefertigt werden -Êunabhängig davon, dass die GM-Töchter Opel in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Belgien, Saab in Schweden und Vauxhall in der Nähe Londons produzieren. »Da können wir noch so sehr mit unseren Investitions- und Logistik-Kosten argumentieren - das interessiert die Einkäufer nicht«, sagt der Manager eines Zulieferbetriebs, der anonym bleiben möchte. Aus Erfahrung weiß die Branche: Eine Nennung des Firmennamens könnte die Aufkündigung von Verträgen zur Folge haben.
Ähnlich wie GM verfährt Ford -Ênur dass der zweitgrößte US-Autobauer sogar in laufende Verträge eingreift. Aktuell wird den Zulieferern nicht nur eine Preissenkung von etwa 15 Prozent abverlangt, sondern auch konkrete Betriebsverlagerungen nach China, Indien, Brasilien, Mexiko und Osteuropa.
Die Zulieferer fürchten, dass andere Konzerne auf den Zug aufspringen. Schon jetzt verteilt Volkswagen Aufträge nach Quoten; etwa 20 Prozent vergeben die Wolfsburger in Billigländer. Deutlich zurückhaltender seien DaimlerChrysler und Audi. BMW, Porsche sowie Toyota und andere japanische Hersteller setzten dagegen ganz auf Qualität und langlebige Geschäftsbziehungen zu ihren Zulieferern.
Dies bestätigte im übrigen auch Wolfgang Nettelstroth. Der Sprecher der IG Metall in Nordrhein-Westfalen zeigt Verständnis für das politische Ziel, Industrien in Asien und Osteuropa aufzubauen. Allerdings dürfe dies nicht zu Lasten der Arbeitsplätze und Löhne in den USA und Westeuropa gehen. Dabei stünden GM und Ford unter politischem Druck, mutmaßt Nettelstroth. Er berichtet von Gerüchten, dass GM Plan einer Zafira-Produktion in Gliwice (früher Gleiwitz) Teil eines Kompensationsgeschäfts ist, in dessen Rahmen der polnische Staat Flugzeuge bei Lockheed bestellt habe. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 03.03.2006