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Wenn der Schwurbel
uns um die Ecke bringt

Thilo Drostes Rauminstallation in der »Galerie 61«

Von Uta Jostwerner
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Wer Frank Schätzings hochspannenden Science-fiction-Roman »Der Schwarm« gelesen hat, muss unwillkürlich an Einzeller denken, die sich zu Zellklumpen verdichten, beliebige Formen annehmen und gierig ihre Tentakeln nach der Lebensform Mensch ausstrecken. Zur Zeit hat die unbekannte Spezies vom Ausstellungsraum der »Galerie 61« Besitz ergriffen.

Einer Explosion gleich, haben amorphe Formen den »white cube« in der Neustädter Straße erobert und bilden geheimnisvolle Wesen, die von Wand, Boden und Decke in den Raum hineinwachsen. Mit Schätzings Abenteuer-Cocktail im Hinterstübchen kann's einem glatt gruselig werden. Faszinierend ist die Rauminstallation aber allemal, die ihr Schöpfer Thilo Droste schlicht »Schwurbel« (nicht »Yrr«) nennt. Das Wort, eigentlich eine Eigenschöpfung des Künstlers für etwas, was in seiner Form beweglich ist, kommt bereits im Grimmschen Wörterbuch vor. Der Duden indes kennt den Ausdrucks nicht mehr.
»Schwurbel« besteht aus Holzschnitten, die die Wände der Galerie mit ihren organischen Druckformen überziehen. Die Gebilde setzen sich in silbrigen und beweglichen Entlüftungsrohren fort, die den Raum kreuz und quer durchziehen. Eine außerirdische Lebensform? »Eigentlich bin ich ja Maler«, sagt Thilo Droste (29), dessen Tafelbilder eine eigenartige Komposition aus Mensch und Masse darstellen beziehungsweise »zwischen realen Situationen, flüchtigen Abstraktionen und beunruhigenden bis spielerischen Visionen pendeln«, wie sein Hochschulprofessor Lienhard von Monkiewitsch zu sagen pflegt. »Schwurbel« ist der experimentelle Versuch, die Bildebene in die Raumebene zu transportieren.
Und was will uns der Künstler damit sagen? »Gar nichts. Ich will nur Anregungen geben. Es gibt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten«, betont Droste, der derzeit noch in Braunschweig studiert und zuvor eine Ausbildung zum Stukkateur absolvierte.
Künstlerfreund Markus Zimmermann, der bei der Ausstellungseröffnung heute Abend um 20 Uhr eigene Texte lesen wird, sieht »Schwurbel« eher kritisch: »Die Idylle trügt. Die Idylle lügt. Es ist ganz und gar nicht lustig, wenn der Schwurbel uns alle um die Ecke bringt.« - Betreten auf eigene Gefahr bis zum 8. April, freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 12 bis 16 Uhr.

Artikel vom 03.03.2006