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Richard Oetker veranstaltet ein Konzert zugunsten der Opfer.

Wer Gewalt durchlitt,
ist für jede Hilfe dankbar

30 Jahre »Weißer Ring« - Opferschutz immer wichtiger

Bielefeld (WB/mzh). Seit nunmehr 30 Jahren kümmert sich der »Weiße Ring« um Verbrechensopfer, und die Hilfe für die meist traumatisierten Menschen wird immer wichtiger. Vor allem Fälle, in denen Kinder sexuell missbraucht werden, geben Anlass zur Sorge.

Hartmut Kramer, der seit vier Jahren die Bielefelder Außenstelle des »Weißen Rings« ehrenamtlich führt, und seine sieben Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr 63 hilfesuchende Bürger telefonisch beraten und 40mal »Opferarbeit vor Ort« geleistet. »Das bedeutet, dass wir uns in der Wohnung der Opfer treffen, um gemeinsam nach Wegen aus der Krise zu suchen«, sagt Kramer.
Nicht selten baut der »Weiße Ring« mit Geld eine erste Brücke. Elf Soforthilfen im Jahr 2005 kosteten den Bielefelder Ableger der 1976 von TV-Fahnder Eduard Zimmermann gegründeten Organisation 1565 Euro - zum Beispiel der Kauf von Pfefferspray oder die Teilnahmegebühr für den Selbstverteidigungskurs zur Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühle.
Mit 15 902 Euro wurde in sechs Fällen Opferhilfe geleistet - zum Beispiel eine kleine Finanzspritze für die ältere Dame mit schmaler Rente, die auf einen Trickbetrüger hereinfiel. 500 Euro kostete eine Ferienhilfe. »Manche Opfer gewinnen nur Abstand zu den erlebten Schrecken, wenn sie mal aus den eigenen vier Wänden herauskommen«, weiß Kramer.
13 Fälle von Rechtsschutzzusagen - Schecks für Beratungen durch einen Rechtsanwalt - kosteten 2250 Euro, und weil jeder zweite Hilfesuchende ein Gerichtsverfahren wünscht, kamen weitere 10 000 Euro für Anwaltskosten hinzu. Insgesamt also zahlte der »Weiße Ring« im Jahr 2005 30 217 Euro.
Mindestens ebenso geschätzt wird die ideelle Hilfestellung, die die psychischen Folgen von Gewalterfahrung lindern soll. Der »Weiße Ring« begleitet die Opfer zu Gerichtsterminen und unterstützt sie bei Behördengängen. »Eine ehemalige Brackwederin, die nach einer Schussverletzung im Rollstuhl sitzt und vom Täter am Start ins Berufsleben gehindert wurde, ist nach einem Jahr noch immer auf uns angewiesen«, berichtet Kramer.
In 82 Prozent aller Verbrechen, nach denen der »Weiße Ring« aktiv wird, sind die Opfer weibliche Jugendliche. Die Bielefelder Statistik weist bei 15 Sexualdelikten 13 betroffene Frauen aus, bei 15 Körperverletzungen elf weibliche Opfer, zwei von drei Bestohlenen bzw. Beraubten sind weiblich. Und im Stalking, der bedrohlichen Belästigung durch psychisch abnorme Täter, waren alle fünf Opfer Frauen.
Jahr für Jahr zählt der »Weiße Ring« in Bielefeld um die 100 Fälle, die ein Eingreifen erforderlich machen. »Wichtige politische Aktivitäten, beispielsweise das neue Opferschutzgesetz, tragen die Handschrift unserer Institution«, erklärt Kramer. Trotzdem sei noch vieles zu verbessern: »Wir fordern, dass uns ein fester Prozentsatz der vom Richter verhängten Bußgelder zufließt, mit dem wir rechnen und planen können. Wir wünschen uns den Opferanwalt auf Staatskosten für alle Gewaltdelikte.«
Der in Mainz ansässige »Weiße Ring« unterhält 16 Landesbüros mit 402 Außenstellen in den politischen Kreisen. Er beschäftigt etwa 2700 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Artikel vom 04.03.2006