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Sprachstörung drängt
Kinder ins Abseits

Europäischer Tag der Logopädie stellt Therapien vor

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). »Sprechen lernen - Schritte ins Leben« lautet das Motto des Europäischen Tages der Logopädie am Montag. Experten beantworten zwischen 15 und 21 Uhr unter der Telefonnummer 0180/5353532 Fragen zu Sprachentwicklungs-, Stimm- und Sprachstörungen nach einem Schlaganfall. Der Anruf kostet zwölf Cent pro Minute.

»Eine Zeitung lesen, mit belastungsfähiger Stimme sprechen oder rufen, sich fehlerfrei und flüssig mitteilen, täglich neue Wörter hinzulernen, einen Brief schreiben, problemlos schlucken - all das sind Fähigkeiten, die wir tagtäglich ausführen, ohne darüber nachzudenken«, betont Barbara Schneider von der Lehranstalt für Logopädie an der Prinzenstraße in Bielefeld. Wenn das Selbstverständliche plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist, brauchten die Betroffenen fachkundige Hilfe.
Der Europäische Tag der Logopädie diene unter anderem dazu, Eltern zu informieren, die sich um die Sprachentwicklung ihres Kindes sorgen. »Logopäden untersuchen, behandeln und beraten Menschen jeden Alters mit Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen«, sagte Schneider dieser Zeitung. Dem Deutschen Bundesverband für Logopädie (dbl) gehören 10 000 Mitglieder an, die freiberuflich oder angestellt tätig sind. Sie verhelfen Außenseitern zum Wiedereinstieg in die Kommunikations-Gesellschaft.
»Sprachstörungen sind häufig die Folge eines Schlaganfalls, und den erleiden immer öfter auch jüngere Menschen«, berichtete die Lehrlogopädin und Linguistin Schneider. Jährlich erwischt es 200 000 Menschen in Deutschland. Sprachstörungen (Aphasie), Sprechstörungen (Dysarthrophonie) und Schluckstörungen (Dysphagie) machen das Leben schwer. Der Schlaganfall beschädigt das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte.
Sprachentwicklungsstörungen weist mittlerweile fast jedes zehnte deutsche Kind im Alter zwischen vier und sechs Jahren auf. Das fand die Bielefelder Universitätsprofessorin Hannelore Grimm mit Fachgebiet Entwicklungspsychologie heraus. Für den »Modellversuch Bielefeld« hatte sie mit ihren Mitarbeitern die Vorschulkinder einer ganzen Stadt, 1395 Jungen und Mädchen, untersucht. 2004 wurde die Studie vorgelegt, wonach außerdem fast 70 Prozent der Ausländerkinder einer gezielten Förderung bedürfen.
Da verwundert es nicht, dass die Mitglieder des Bundesverbandes für Logopädie über eine zunehmende Zahl von Anrufen besorgter Eltern berichten. Die Fähigkeit, sich sprachlich gut mitteilen zu können, bilde eine »Schlüsselqualifikation«, so der dbl in Frechen. Manchmal erweisen sich Ängste der Eltern allerdings als unbegründet. »Eine Sprachverzögerung ist nicht unbedingt behandlungsbedürftig«, betont Barbara Schneider. Wer sich informieren will, kann am Montag die Expertenhotline anrufen oder sich an die Lehranstalt für Logopädie in Bielefeld wenden (Telefon: 0521/5200750), die seit zehn Jahren Fachkräfte ausbildet. Auch in Bad Lippspringe (Kreis Paderborn) gibt es eine Fachschule für Logopädie (Telefon: 05252/954570). Weitere Informationen unter
www.logopaedieschule-bielefeld.de

Artikel vom 04.03.2006