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Klinsmann bleibt bei seinem
Kurs und dem Titel als Ziel

Der Bundestrainer vertraut diesem Team: neue Chance gegen die USA

Florenz/Frankfurt (dpa). Nach dem WM-Schock von Italien zieht Jürgen Klinsmann keine personellen Konsequenzen, sondern verlangt von den Versagern von Florenz eine »Wiedergutmachung« im nächsten Spiel gegen die USA.
Einen Tag nach dem 1:4 kündigte der Bundestrainer an, mit unverändertem Personal das Länderspiel am 22. März in Dortmund gegen die Amerikaner bestreiten zu wollen. »Wir sind überzeugt von dieser Mannschaft. Alle, die in Florenz dabei waren, werden auch wieder gegen die USA dabei sein, wenn sie gesund bleiben«, erklärte Klinsmann in Frankfurt. Dazu kommt noch Oliver Kahn, der dann wieder im Tor stehen wird.
Für das nun unbedingt notwendige positive Ergebnis und eine deutliche Leistungssteigerung seiner WM-Kandidaten opfert Klinsmann im Vorfeld des letzten Spiels vor der Nominierung seines WM-Kaders sogar den vierten großen Fitness-Test. »Wir lassen den Leistungstest fallen, um den Spielern zu signalisieren, dass wir schon eine sehr engagierte Leistung gegen die Amerikaner erwarten«, erklärte der Bundestrainer. Eine neuerliche Pleite würde den ohnehin arg geschmälerten WM-Optimismus bei den Fans auf den Nullpunkt bringen und wohl auch die Spieler desillusionieren.
Am Tag nach der sportlichen Offenbarung versuchte Klinsmann das nachzuholen, was auf dem Spielfeld gegen die starken Italiener total misslungen war: den Schaden zu begrenzen. Statt nach der Rückkehr aus Florenz den direkten Anschluss-Flug nach Los Angeles zu nehmen, blieb der Bundestrainer und verteidigte in der DFB-Zentrale seinen Kurs. Grundsätzliche Korrekturen sind nicht geplant. »Die Art und Weise, mit der wir die Dinge entwickelt und nach vorn getrieben haben, war immer mit einem Stück Risiko verbunden«, betonte er.
DFB-Präsident Theo Zwanziger sieht keinen Grund einzugreifen. Die Auswirkungen des Ergebnisses seien nicht mit jenen zu vergleichen, die nach dem 1:5 in Rumänien vor der EM 2004 das Ende der Ära Rudi Völler eingeleitet hatten. Auch Klinsmann zeigte sich unbeeindruckt: »Wir ziehen das mit unserer Philosophie und unserem System durch.«
Nicht nur Klinsmann weiß, dass der seit Jahren kränkelnde deutsche Profi-Fußball derzeit keine tauglichen Alternativen zu jenem Personal bereitstellt, das in Florenz unterging. Allerdings wird es für den 41-Jährigen nun in den wenigen Wochen bis zum WM-Start äußerst schwierig, seine Methoden und seinen offensiven Jugendstil weiter als Erfolgsrezept zu verkaufen. Spätestens nach dem schnellen 2:0 der Italiener wurde die aktuelle Interpretation seines Systems als naiv und gegen Weltklassemannschaften zu risikoreich entlarvt. Denn auch nach dem frühen Schock rannten die deutschen Spieler weiter ungesichert nach vorne und damit ins eigene Verderben. »Das war ein Klassenunterschied, vor allem im taktischen Bereich«, sagte Michael Ballack. Der mit untergegangene Kapitän sprach Klartext: »Es ging auch kein Ruck durch die Mannschaft.« Gegen die USA »müssen wir eine Reaktion zeigen, weil das nicht noch einmal passieren darf.«
Die sportliche Leitung machte für die großen Probleme neben der Unerfahrenheit der Spieler vor allem in der Defensive auch die geringe Spielpraxis einiger Akteure verantwortlich. »Man hat gesehen, da fehlen Rhythmus und das Gefühl für das Raumverhalten«, sagte Klinsmann, der weiter an seinem Ziel WM-Titel festhält. »Weil wir wirklich glauben, dass die Erwartungshaltung und die Hoffnung, bis zum Ende dabei zu sein und vielleicht das ganz große Dinge zu schaffen, automatisch kommen. Die Mannschaft kann damit umgehen«, versicherte er.

Artikel vom 03.03.2006