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Das Gros der Arztpraxen
bleibt auch heute dicht

Mediziner protestieren gegen die Gesundheitspolitik

Bielefeld (sas). Etwa 60 Prozent der Arztpraxen in Bielefeld waren gestern geschlossen und sollen es auch heute bleiben: Die Mediziner drücken damit ihren Protest gegen die Gesundheitspolitik aus.

Sie wehren sich gegen die »Bonus-Malus-Regelung« und fordern ein Ende der Budgetierung, den Erhalt der Privatkrankenkassen, die Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung, eine feste Vergütung der erbrachten Leistungen und für Klinikärzte die Bezahlung der Überstunden. Zudem wehren sie sich gegen »jegliche staatlich rationierte Einheitsmedizin«, die die Hochleistungsmedizin untergrabe.
Im Rahmen einer Kundgebung haben gestern die Ärzte ihren Unmut formuliert. Und weil das am politischen Aschermittwoch so üblich ist, geizte auch Dr. Theodor Windhorst, Chefarzt an den Städtischen Kliniken Mitte und Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, nicht mit klaren Worten: Er las Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihrem »Prinzgemahl« Karl Lauterbach die Leviten. Vor 1100 Kollegen bescheinigte Windhorst ihnen eine »inkompetente Gesundheitspolitik«, die den Ärzten den Beruf vergälle und die qualitätsvolle medizinische Versorgung der ihnen anvertrauten Patienten untergrabe.
Viel zu lange, so Windhorst, hätten die Ärzte staatliche Überregulierung und Bürokratismus erduldet - weil die Patienten nicht leiden sollten. »Doch jetzt ist das Maß voll!« »Rot« verbeiße sich in Neidkampagnen, »Schwarz« habe Angst vor der eigenen Courage oder keine Ahnung.
Unattraktiv bleibe auch der Arbeitsplatz Krankenhaus, was zu einem Exodus der Ärzte ins Ausland führe. Ruhe werde es erst geben, wenn ein angemessener Tarifvertrag auf dem Tisch liege, versprach Windhorst.
So lange müssen Politik und Patienten mit weiteren Protesten rechnen. »Praxisschließungen sind nicht beliebig auszudehnen«, sagt Dr. Michael Müller von »medi owl« - schließlich wolle man die Menschen behandeln. Denkbar aber sei, Bürokratie zu verweigern oder nicht mehr an Disease-Management-Programmen teilzunehmen. Müller merkte an, dass im Regierungsbezirk die Zahl der Insolvenzen von Arztpraxen zugenommen habe. »Das ist im Wesentlichen eine Folge von Regressen.« Hinzu komme, dass der eigentlich schöne Beruf immer unattraktiver werde und den Praxen vielfach die Nachfolger fehlten.
Müller wähnt die Patienten auf Seiten der Ärzte: In Gesprächen habe er viel Solidarität erfahren, Einige Patienten wollten gar an der Kundgebung teilnehmen oder sich in Unterschriftenlisten eintragen. Seite OWL

Artikel vom 02.03.2006