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 n Die Mitbewohnerin...



...klopft ab


Tina und Maike sind sich auf Anhieb sympathisch und gründen eine WG. Und was für eine: jede ein Zimmer plus gemeinsames Wohnzimmer. Höhepunkt und Hingucker ist Maikes altes Sofa. Braunes Leder mit Holzlehnen an den Seiten. Ungefähr so gemütlich wie Beton.
Doch Tina hat dafür eine Lösung: Kissen. Sehr viele Kissen. Leider ist es dadurch noch ungemütlicher geworden. Denn jedes Mal, wenn Maike aufsteht, fährt Tina sie an: »Es ist wohl nicht zuviel verlangt, wenn du die Kissen ordentlich abklopfst und glatt streichst.« - »Ich will doch nur kurz die Erdnüsse aus der Küche holen«, antwortet sie - um mit einem »Abklopfen und glatt streichen!« wieder zurechtgewiesen zu werden. So geht es jeden Tag. Maike hasst mittlerweile diese Kissen. Manchmal stellt sie sich vor, wie die Kissen unter ihrem Gewicht leiden und vor Schmerz aufschreien.
Das Unausweichliche passiert nach zwei Wochen. Tina sieht, dass das rosa Kissen zu weit links liegt und stellt Maike zur Rede. Maike nimmt daraufhin das rosa Kissen - und klopft es mit 100 Kilometern pro Stunde in Tinas Gesicht ab. Und streicht es danach glatt.
Normalerweise gehen solche Geschichten so aus: Beide liefern sich lachend eine Kissenschlacht und begraben den Streit für immer unter den wie Schneeflocken herab fallenden Federn.
Dieses Mal nicht. Tina schaut Maike mit ihrem glatt gestrichenen Gesicht an, geht wortlos in ihr Zimmer und beginnt zu packen. Irgendwann findet Maike bestimmt eine neue Mitbewohnerin. Ohne Kissen.
Laura-Lena Förster

Artikel vom 04.04.2006