04.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Prof. Eberhard Hamer

»Hat ein Steuersy-stem moralisch abgewirtschaftet, bleibt dem Staat nur noch bürgerfeindlicher Zwang.«

Leitartikel
Politik auf »Multi«-Trip

Ist sie das,
die
neue Zeit?


Von Rolf Dressler
In der Not, in der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot.
Dieser unverfälschte Volksmund-Sinnspruch machte in der Geschichte immer dann die Runde, wenn bei den Menschen wie- der einmal Schmalhans Küchenmeister war.
Nöte ganz anderer Art treiben die nationale und europäische Politik nicht erst des Jahres 2006 um. Das Kuriose und gleichermaßen Bedenkliche dabei: Zwar gebieten unsere Regierenden von heute - dank der Schaffensfreude und des Zahlemann-Langmuts von Arbeitnehmern und Unternehmern - über geradezu abenteuerliche Steuergeldmengen; nur leider gehen sie damit nicht so vernünftig und klassisch haushälterisch um, wie es sich für Verantwortungsträger gehören würde, denen wir alle, die Bürger also, diese Gelder ausdrücklich treuhänderisch anvertrauen.
Längst drückt die Dauer-Ebbe in den Staatskassen so sehr, dass die Politik fast jede Hemmung ablegt beim Aufspüren auch noch der allerletzten Steuerquellen.
Der, je nachdem, verlässliche und staatstreu redliche oder der notorisch unwillige Steuerzahler - das war einmal. Heute, sagt zu- treffend Prof. Eberhard Hamer, jahrzehntelang sachkundiger Leiter des Mittelstandsinstituts Hannover, pflegen Finanzpolitik, Finanzverwaltung und Finanzgerichte ihr spezielles Feindbild: Im Grunde seien alle Steuerpflichtigen als mutmaßliche Steuerhinterzieher unterwegs, die Vater Staat, der Gestrenge, leider »nur noch zwangsweise entreichern« könne.
Mögen die Bürger das als Aus- plünderung verstehen, es hilft ihnen nicht. Im Gegenteil: Nach wie vor werden namentlich auch hier in Deutschland unvorstellbare Milliardengelder freigebig und nur zu oft ohne jede Gegenleistung dahin und dorthin verteilt. Immer wieder sogar auch an korrupte Gewaltherrscher in der Dritten Welt, aber auch an Millionen Menschen, die eben nicht als qualifizierte Zuwanderer hierherkamen, sondern ausschließlich über die aus Steuern finanzierten hiesigen Sozialsysteme vollversorgt werden (müssen) - mangels praktischer Alternativen.
Kein Wunder, dass die Politik selbst vor wildesten Rettungsversuchen nicht mehr zurückschreckt. Einträgliche Dienste auf Gegengeschäftsbasis bei der Eintreibung zusätzlicher riesiger Steuergelder sollen offenbar gerade auch die mächtigen Multi-Konzerne etwa der Energiewirtschaft leisten. Diskretes Motto: Eine Hand wäscht die andere - siehe den nebenstehenden Beitrag.
So unterstützt die großmächtige Europäische Kommission in Brüssel denn heute volltönend »die Verlierer der Globalisierung«, sprich: entlassene Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, während sie noch tags zuvor lauthals zum Beispiel Spaniens Regierung davor gewarnt hatte, sich dem Auf- kauf des dortigen Energieversorgers Endesa durch die deutsche Eon AG, einen Globalisierungsgewinner, entgegenzustellen.
Das ist sie wohl, die neue Zeit.

Artikel vom 04.03.2006