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Deutschland braucht Dortmund

Dort soll die Nationalelf das nächste Spiel und neuen Mut gewinnen

Dortmund (dpa). Franz Beckenbauer macht den Versagern von Florenz neuen Mut, der in Italien fehlende Oliver Kahn fordert von seinen Nationalmannschafts-Kollegen »totale Konzentration auf den Fußball.«

Auch zwei Tage nach der bitteren 1:4-Niederlage mussten die Entscheidungsträger des deutschen Fußballs Wunden lecken. Der sonst stets kritische »Kaiser« Beckenbauer ging dabei voran. »Zu Hause mit der Euphorie der eigenen Fans ist die Truppe zu Größerem fähig«, meinte der WM-Chef in seiner »Bild«-Kolumne.
Zwar scheine die junge Klinsmann-Elf in fremden Stadien noch »zu grün« zu sein, meinte Beckenbauer. Doch nun gebe es beim Unternehmen WM-Titel zum Glück nur noch Heimspiele. »Schon der nächste Test gegen die USA am 22. März in Dortmund vor 80 000 Zuschauern im Rücken ist die Chance, die Stimmung in die richtige Richtung zu kippen«, betonte der Präsident des WM-Organisationskomitees. Das allerdings wird für die verunsicherten WM-Kandidaten alles andere als ein Selbstläufer. Deshalb appellierte schon jetzt Kahn, der in der Rotation mit Jens Lehmann gegen die Amerikaner wieder im Tor stehen wird, an seine Kollegen: »Die Spieler müssen ab sofort beißen, im Training, in der Bundesliga, international. Jetzt ist Vollgas gefordert.« Nach Italien weiß auch Jürgen Klinsmann, dass der Partie gegen die USA urplötzlich eine Bedeutung zukommt, mit der niemand rechnen konnte: Das Spiel ist zu einem ultimativen Stimmungstest für die Gastgeber-Nation geworden.
Da kommt der Dortmund-Effekt gerade recht: Dort verlor noch nie eine deutsche Nationalelf - zuletzt wurden »Endspiele« wie gegen die Ukraine in der WM-Relegation für 2002 und gegen Schottland in der Qualifikation für die EM 2004 jeweils klar gewonnen.
Kapitän Michael Ballack warnte aber davor, den Heimvorteil bei der WM zu überschätzen, insbesondere gegen die großen Nationen. »Wenn man solche Fehler macht wie gegen Italien, hat das mit heim und auswärts wenig zu tun.« Zwar kann die Euphorie gegen Mannschaften wie Costa Rica, Polen und Ecuador in der Vorrunde helfen, den nötigen Sturmlauf der Gastgeber zu unterstützen. »Doch gegen Weltklasse-Teams wie Italien ist es eher noch gefährlicher, weil die Fans uns dann noch mehr nach vorne puschen. Die Gefahr besteht, dass man noch mehr Fehler macht und ungeduldiger wird«, so Ballack.
DFB-Präsident Theo Zwanziger wandte sich derweil mit einem Aufruf an die Anhänger und warnte vor überzogener Kritik an Klinsmann. »Wenn wir Erfolg bei dieser WM haben wollen, brauchen wir die Unterstützung der Fans.« Die Probleme des Nationalteams hätten nichts mit der Person Klinsmann zu tun, sondern resultierten aus den 90er Jahren. Die sportliche Führung müsse in Ruhe arbeiten können. Man solle auch nicht an jeder Entscheidung des Bundestrainers »sofort und penetrant herummäkeln.«
Klinsmanns erweiterter WM-Kader von 27 Spielern steht, inklusive des am Knie operierten Schalkers Kevin Kuranyi. Nur in Notfällen wie schweren Verletzungen wird es noch Veränderungen geben. Wenn der Weltverband den WM-Nominierungstermin vom 15. Mai nach hinten verschiebt, will der Bundestrainer mit diesen 27 Spielern ins erste WM-Vorbereitungslager nach Sardinien reisen. Nach derzeitigem Stand sind Andreas Hinkel, Lukas Sinkiewicz, Sebastian Kehl, Mike Hanke und Oliver Neuville die heißesten Kandidaten für die vier Streich-Plätze, um auf die erlaubte Anzahl von 23 WM-Spielern zu kommen.
Das erweiterte deutsche WM-AufgebotTor: Kahn, Lehmann, Hildebrand - Abwehr: Friedrich, Hinkel, Huth, Jansen, Lahm, Mertesacker, Metzelder, Owomoyela, Sinkiewicz - Mittelfeld: Ballack, Deisler, Borowski, Ernst, Frings, Hitzlsperger, Kehl, Schneider, Schweinsteiger - Angriff: Asamoah, Hanke, Klose, Kuranyi, Neuville, Podolski

Artikel vom 04.03.2006