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Zu viel Bürokratie:
Praxen schließen

Ärzte haben weniger Zeit für Kranke

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Haus- und Fachärzte in Deutschland wollen vom 1. April an regelmäßig für ein bis zwei Tage ihre Praxis für Patienten schließen.

Durch das neue Arzneimittelspargesetz ergebe sich ein dramatisch höherer Zeitaufwand, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Praxisnetze Westfalen-Lippe, Dr. Karl-Georg Furche, dieser Zeitung. Nur wenn Praxen tageweise für Behandlungen geschlossen würden, könne die vorgeschriebene völlig überzogene Verwaltungsarbeit erledigt werden. Der Verwaltungsaufwand werde von derzeit einem Drittel auf 50 Prozent steigen. Schon jetzt arbeiteten die niedergelassenen Ärzte in Westfalen-Lippe wöchentlich 55 bis 80 Stunden.
Da die Bürokratie zunehme, bleibe immer weniger Zeit für die Patienten, betonte auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). »Es dürfen aber keine Protestmaßnahmen ergriffen werden, die das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten beeinträchtigen«, sagte gestern KBV-Sprecher Roland Stahl.
Nach einer repräsentativen Umfrage des Bielefelder Meinungsforschungsinstituts Emnid lehnen 93 Prozent der Bürger das neue Arzneimittelspargesetz ab. Die Patienten wollen, dass das Einkommen ihrer behandelnden Ärzte unabhängig ist von den Medikamenten, die sie verschreiben. Nach Informationen dieser Zeitung überlegen bereits die Kassenärztlichen Vereinigungen Rheinland-Pfalz, Thüringen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen das neue Gesetz zu boykottieren.
In Ostwestfalen-Lippe haben heute und morgen viele Arztpraxen aus Protest geschlossen. Im Ringlokschuppen in Bielefeld findet heute von 11 Uhr an als zentrale OWL-Veranstaltung ein gesundheitspolitischer Aschermittwoch statt. Kundgebungen sind in NRW auch in Dortmund, Arnsberg, Ahaus, Gelsenkirchen und Witten geplant. Bundesweit sind Praxisschließungen für die letzte Märzwoche vorgesehen. Zum Auftakt findet am 24. März ein nationaler Protesttag in Berlin statt. Hierzu werden mehr als 20 000 Ärzte erwartet.

Artikel vom 01.03.2006