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Zu Aschermittwoch

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Es wäre nicht gut, wenn Christen fasteten, damit andere es sehen! Aber umgekehrt gilt: andere sehen sehr wohl, wenn die Christen nicht fasten. Und dazu machen sie sich dann so ihre eigenen Gedanken. Dies geschieht zur Zeit in unserer Gesellschaft seitens des Islam: Ich selber werde jedenfalls von Muslimen immer wieder gefragt, ob Christen eigentlich gar nicht fasten? Muslime dagegen sind stolz auf ihre eigene Zeit des Ramadan und auf die sogar zunehmend konsequente Praxis. Sie erleben darin die Christen als eher lauÉ
Richtig daran ist, dass es sich beim »Fasten« um keine christliche Spezialität handelt. Fasten ist in allen Religionen bekannt. Hindus fasten, Juden fasten, Muslime fastenÉ Und Christen fasten (fast) von Anfang an auch!
Jesus wird sogar einmal gezielt danach gefragt. Es heißt an einer Stelle im Evangelium, dass Leute zu ihm kamen und sagten: »Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes (des Täufers) und die Jünger der Pharisäer fasten?« (Mk 2,18ff)
Zu dieser Zeit fasteten die Jünger Jesu also nicht. Dieses Nicht-Fasten war aber genau das Verwunderliche. Die Antwort Jesu gesteht dies ein. Er erklärt es jedoch und sagt: »Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten.«
Die Zeit, als Jesus lebte, war für die Jünger - und für unsere Welt - eine absolute Hoch-Zeit. Es war das Maximum religiöser Energie und Lebendigkeit der Gottesbeziehung, was wir uns denken können. Dies konnte keine Zeit des Fastens sein. Es war Hoch-Zeit, Hochzeitsstimmung eben. Die Liebe untereinander und zu Gott war mit Händen zu greifen. Alle religiöse Liebeskraft war noch ganz frisch.
Doch Jesus hatte Recht. Nach seiner Auferstehung hat es nur wenige Jahre gedauert, da spürten die Gläubigen: er fehlt uns! Zuerst begannen sie deshalb an des Gedächtnistagen seines Todes zu fasten. Die drei Tage von Karfreitag bis Ostern waren die ersten christlichen Fastentage. Somit war eingetreten, was Jesus vorhergesagt hatte: »Es werden Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein. An jenem Tag werden sie fasten.«
Doch dabei blieb es nicht. Denn es war ja nicht nur die Erfahrung der äußeren Abwesenheit Jesu. Sondern die Gläubigen spürten mit den Jahren, dass bei jedem einzelnen die ursprüngliche Liebe an Energie verlor. Die Hoch-Stimmung ließ sich nicht über Jahrzehnte aufrecht erhalten. Wie viele Chancen, als Christ anders zu handeln, unterblieben. Und so war eine Episode aus dem Leben Jesu für sie ein weiterer Anstoß: Er selbst hatte sich ja einmal 40 Tage genommen, um sich seines Weges vor Gott ganz sicher zu werden. Diese 40 Tage über hatte er gefastet und war dafür in die Wüste gegangen (Mt 4,2).
So machten es die Christen recht bald Jesus selbst nach. Beim Propheten Hosea fanden sie so etwas wie eine Aufforderung dazu: »Ich will Israel, meine treulose Braut, in die Wüste hinausführen und sie umwerben. Sie wird mir dorthin bereitwillig folgen wie in den Tagen ihrer Jugend, wie damals, als sie aus Ägypten heraufzog.« Die Fastenzeit sollte also so etwas wie eine Erneuerung der ursprünglichen Hochzeitsliebe werden.
Die Christen fasteten seitdem vierzig Tage vor Ostern. Weil man aber am wöchentlichen Hochzeitstag, dem Sonntag, dem Tag mit dem zeichenhaften Hochzeitsmahl in der Kirche, gemäß dem oben genannten Wort Jesu nicht fasten wollte, löste man die Sonntage aus den vierzig Tagen heraus und hängte sie vorne wieder an. Bis heute ist dies unsere Fastenzeit mit ihrem Beginn am Aschermittwoch.
Christliches Fasten ähnelt somit auf der einen Seite dem, was alle Religionen kennen. Aber es geht nicht um asketische Übungen, sondern um die Erneuerung der Liebe zu Gott, wie Jesus ihn uns bekannt gemacht hat! Die Fastenzeit prüft das Handeln der Christen aus Liebe heraus. Es geht darum, die Hoch-Zeitstimmung wieder zu finden. Das Brautwerben Gottes und die menschliche Antwort auf diese Liebe beginnen neu. Denn jeder von uns hat doch Dinge des Glaubens und des christlichen Lebens, die merklich abgekühlt sind! Es könnte eine erfrischende Zeit werden.

Artikel vom 01.03.2006