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Etwas Mut gehört dazu:
ein Praktikum in Nahost

Von Laura-Lena Förster
England. Frankreich. Die USA. Aber doch nicht der Nahe Osten. Wer freiwillig ein Praktikum im Ausland machen möchte, der wählt doch keine Krisenregion. Jan Busse schon. Sein London ist Ramallah. Zwei Monate hat der Bielefelder Student dort im 2005 bei der Konrad-Adenauer-Stiftung verbracht.

»Ich bewundere Sie für Ihren Mut.« Prof. Dr. Helmut Steiner hat als Geschäftsführer der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft schon zahlreiche Studenten bei ihrem Auslandsaufenthalt unterstützt. Nach Palästina zog es vor Jan Busse noch keinen. Mut oder Leichtsinn - für den Studenten aus Bielefeld war das fachliche Interesse an der Region ausschlaggebend. »Im Studium der Politikwissenschaft beschäftigt man sich eben mit Konflikten und Kooperationen«, sagt er. Als studentische Hilfskraft an der Fakultät für Soziologie lernte er die Strukturen im Nahen und Mittleren Osten kennen.
Kopfschütteln hat seine Entscheidung dennoch bei einigen seiner Gesprächspartner hervorgerufen. Und ihn selbst immer wieder zum Nachdenken gebracht. In gewisser Hinsicht treffe es auch zu, dass andern-orts ein Praktikum in sicherer Umgebung absolviert werden könne, schreibt der 23-Jährige in seinem Erfahrungsbericht. Aber dafür gibt es ja ein paar Spielregeln. »Verzichte in Israel auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und meide dort belebte Ort«, war ein solcher guter Rat.
Darüber hinaus hat Jan Busse sich größtenteils in Palästina aufgehalten, was wiederum das Risiko reduzierte. »Schließlich käme ein palästinensischer Selbstmordattentäter vermutlich nicht auf die Idee, sich auf einem Markt in Ramallah oder im Bus von dort nach Na-blus in die Luft zu sprengen«, schreibt er. Ansonsten könne man hinsichtlich der Sicherheitslage deutlich zwischen West Bank und Gaza trennen. Im Gaza-Streifen müssten Ausländer durchaus mit Entführungen durch radikale Gruppe rechnen. »Zwar verlaufen diese nicht so wie im Irak, ein Risiko stellen sich natürlich dennoch dar«, sagt Jan Busse.
Was Palästina zudem von Israel unterscheide, sei die schnell wechselnde Stimmungslage in der Bevölkerung. Wie er bemerkt hat, grüßen Kinder meist auf Englisch. Wird man mit »Schalom« empfangen, hat das einen bestimmten Hintergrund. »Es soll signalisieren, dass man für einen Juden gehalten wird, dem sie nicht unbedingt freundlich gesonnen sind«, sagt er. »Die Kinder verhalten sich wahrscheinlich so, wie derzeit ihre gesamte Familie gegenüber Ausländern gestimmt ist.«
Über die gesamten zwei Monate gesehen haben die Menschen ihn aber als Gast und nicht als Urlauber empfangen. Angst musste er nicht haben - weder in Palästina noch in Israel.
»Man muss sich jedoch darüber klar werden, dass man Israel an beinahe jeder Ecke drei Soldaten und in der West Bank zahlreiche israelische Checkpoints findet«, schreibt Jan Busse. »Diese Tatsache lernt man genauso zu akzeptieren, wie es Palästinenser und Israelis tun. Trotz der Erschwernisse gelingt es ihnen auch, ein einigermaßen geregeltes Leben zu führen.«
Als Ausländer werde einem sehr schnell klar, welche Bedeutung einem Fetzen Papier zukomme. »Mit einem Reisepass eines Staates der Europäischen Union besitzt man gleich einen anderen Status. Während Palästinenser an Checkpoints ausgiebig überprüft werden, wird man als Ausländer einfach durchgewunken.«
Freilich: Gelernt hat Jan Busse viel über Land und Leute. Das Praktikum bei der Konrad-Adenauer-Stiftung an sich empfand er aber als ernüchternd. Wenn überhaupt Aufgaben anfielen, dann war es Büroarbeit, die Pflege der Homepage beispielsweise. Inhalte mussten aktualisiert, Veranstaltungsberichte und Ankündigungen verfasst oder vom Deutschen ins Englische und umgekehrt übersetzt werden.
Sein fachliches Wissen konnte er bei einem politischen Bericht über die völkerrechtliche Situation des Gaza-Streifens nach dem israelischen Abzug einbringen. »Höhepunkt waren aber die Besuche bei Partnerorganisationen, bei denen Projekte diskutiert und abgestimmt wurden«, erzählt Jan Busse.
Fortsetzung auf Seite 7

Artikel vom 04.04.2006