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Stellen, die ins Ausland abwandern, kommen selten wieder
nach Deutschland zurück.

Leitartikel
Kompromiss bei AEG

Abfindung kommt -
Arbeit geht


Von Bernhard Hertlein
A.E.G. - aus Erfahrung gut. Gilt der traditionelle Werbespruch der Hausgerätemarke auch für den Kompromiss, zu dem sich Firmenleitung und IG Metall in Nürnberg durchgerungen haben? Wohl kaum.
Sicher, das Electrolux-Management ist zufrieden, weil es endlich aus den Negativschlagzeilen herauskommt.
Die Gewerkschaft ist zufrieden, weil das Budget für den Sozialplan der Beschäftigten mehr als verdoppelt wurde. Und außerdem -Êwichtig, wichtig -Êdarf sie für vier andere Electrolux-Tochterfirmen einen Haustarif auf Basis des Metalltarifvertrages aushandeln.
Die bayerische Landesregierung ist zufrieden, weil mit Otto Wiesheu einer, der bis vor kurzem noch ihrem Kabinett angehört hat, den Kompromiss aushandelte.
Unzufrieden aber sind die Beschäftigten -Êtrotz hoher Abfindung des 1,8-fachen eines Monatsgehalts je Arbeitsjahr. Die Buhrufe zeigen, dass die Nürnberger wohl wissen, dass Abfindungen vor allem bei Älteren den Absturz in die Arbeitslosigkeit mildern, aber den Arbeitsplatz nicht mehr ersetzen können.
Stellen, die ins Ausland abgewandert sind, kommen in den seltensten Fällen wieder nach Deutschland zurück. Eher wandern sie noch weiter ostwärts um den Globus. Schon deshalb ist die frühere Industrieregion Nürnberg eindeutiger Verlierer dieser Werksschließung.
Der Verlust von 1700 Arbeitsplätzen in dem 1922 gegründeten fränkischen Werk ist nicht der Anfang des Niedergangs der AEG, sondern nur ein weiterer Höhepunkt. Die »Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft«, 1883 vom Vater des späteren Reichsaußenministers Walter Rathenau gegründet, zählte Anfang der sechziger Jahre 127 000 Beschäftigte. Bis zur Übernahme durch Daimler-Benz 1985 war die zwischenzeitlich mit Telefunken fusionierte AEG schon ziemlich heruntergewirtschaftet.
1996, also vor zehn Jahren, wurde das Unternehmen aufgespalten. Die alte AEG war als Firma am Ende. Die Marke lebt zwar weiter, aber nicht mehr »made in Germany«. Schon 2002 kam das Aus für die Kühl- und Gefriergeräteproduktion in Kassel. Schon damals wanderten die Aufträge südwärts nach Italien und ostwärts 2002 nach Ungarn, 2007 nach Polen.
Nicht ganz aus der Luft gegriffen ist die Vermutung der IG Metall, der Arbeitsplatzabbau in Nürnberg werde von der Europäischen Union subventioniert. Tatsächlich kann Warschau die Sonderwirtschaftszone im niederschlesischen Zarow auch deshalb fördern, weil sie viel weniger Geld nach Brüssel überweisen muss.
Electrolux schließt in Nürnberg ein Werk, das einen positiven Ergebnisbeitrag - sprich: Gewinn -Ênach Schweden abliefert. Der Konzern verdient so gut, dass er in diesem Jahr allein an die beiden Hauptaktionäre, die Brüder Wallenberg, 235 Millionen Euro ausschüttet -Êneun Millionen weniger als der Konzern nun insgesamt an Kosten für Schließung und Sozialausgleich veranschlagt.

Artikel vom 01.03.2006