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78 Millionen erbeutet:
Polizei entdeckt Lkw

Die meisten Tatverdächtigen sind schon wieder frei

London (dpa). Die Polizei hat einen Lastwagen gefunden, mit dem Gangster vor einer Woche die Millionenbeute des größten Geldraubs in der britischen Geschichte abtransportiert haben sollen.
Das ausgeraubte Gelddepot in Tonbridge: Hier erbeuteten die Räuber umgerechnet 78 Millionen Euro. Foto: Reuters
Die Entdeckung des Renault, mit dem umgerechnet nahezu 80 Millionen Euro aus dem überfallenen Gelddepot in Südengland transportiert worden sein sollen, gilt als wichtiger Fahndungserfolg. Zuvor hatten Ermittler eine große Farm in der südostenglischen Grafschaft Kent gestürmt. Angeblich sollen die Gangster in dem Anwesen ihre Geiseln festgehalten hatten. Die als Polizisten getarnten Täter hatten am Dienstag vergangener Woche zunächst Colin Dixon (51), den Direktor des Gelddepots, sowie dessen Frau und Sohn entführt. Der Junge konnte sich nach einigen Stunden aus dem Stahlgitterkäfig herausschlängeln, in dem er zusammen mit der Mutter eingesperrt war. Mit Hilfe eines Schlüssels, den die ansonsten hochprofessionellen Verbrecher übersehen hatten, konnte er dann auch seinen Mithäftlingen aufschließen - 14 Mitarbeitern des Gelddepots.
Zahlreiche Polizisten durchkämmten gestern nicht nur die Häuser der Farm, sondern untersuchten auch den Boden in der Umgebung. Die Polizei wollte zu dem Großeinsatz, den Fernsehsender live von Hubschraubern aus verfolgten, zunächst keine Angaben machen.
Die erbeutete Summe übertrifft alles, was britische Verbrecher jemals zuvor in einem einzigen Coup ergaunert hatten. Die legendären »Gentlemen«-Gangster, die im August 1963 einen Postzug auf der Strecke anhielten und leer räumten, mussten sich damals mit 2,6 Millionen Pfund zufrieden geben. Und es gibt noch einen wichtigen Unterschied zum »Great Train Robbery«, den sich die britische Polizei nach einer Woche Ermittlungsarbeit jetzt vorhalten lassen muss: Damals war der erste Täter nach sechs Tagen bereits geschnappt.
Bei dem neuen Millionen-Coup sind große Fahndungserfolge bislang Fehlanzeige. Bislang wurden zwar zwölf Verdächtige festgenommen, darunter auch ein ehemaliger britischer Judo-Meister sowie ein Angestellter des Geldlagers, der einen Scheck über 10 000 Pfund bei sich hatte. Wie die meisten anderen kamen sie jedoch nach kurzer Zeit gegen Kaution wieder auf freien Fuß. Gestern wurden noch vier Männer verhört. Nach Presseberichten soll es sich dabei jedoch allenfalls um Randfiguren handeln. Umso mehr blühen die Spekulationen, wo sich der harte Kern der Bande aufhält. Vermutet wird zumeist, dass sich die Truppe über den Ärmelkanal längst ins Ausland abgesetzt hat. Es gibt aber auch die Theorie, dass sie ihre tonnenschwere Beute irgendwo versteckt hat, und die Verbrecher jetzt ganz normal ihrer sonstigen Arbeit nachgehen.

Artikel vom 01.03.2006