15.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Franz Beckenbauer, die unumstrittene Lichtgestalt

Fortsetzung von Seite 55 - Klinsmann noch vor der Bewährung


Helmut Schön

1964 - 1978Helmut Schön war der erste Bundestrainer, der nicht aus Mannheim kam, und er war der erfolgreichste bisher. Eine wahre Titelflut bei WMs und EMs, bei der der WM-Titel 1974 und der EM-Titel 1972 die Höhepunkte bildeten. Nicht nur viele Titel, sondern auch eine Großzahl dramatischer Spiele fallen in seine Zeit, so das WM-Finale 1966 mit dem weltberühmten »Wembley-Tor«, dem umstrittensten Tor der Fußballgeschichte. Angesichts der vielen Erfolge hatte er das Ende seiner Tätigkeit durch ein unrühmliches 2:3 gegen Österreich bei der WM 1978 eigentlich nicht verdient.
Fazit: Ich habe Helmut Schön immer als ruhigen, sachlichen, fast introvertierten Typ kennengelernt. Er war Bundestrainer in einer Zeit mit vielen Weltklassespielern wie Beckenbauer, Maier, Müller und Overath. Mit solchem Personal konnte er eigentlich nur erfolgreich sein. Böse Zungen haben bereits früher behauptet, diese Spieler brauchten keinen Trainer, weil sie die Mannschaft selbst aufstellten und die Taktik vorgaben. Das mag ein wenig Wahrheit in sich bergen


Jupp Derwall

1978 - 1984Jupp Derwall setzte die deutsche Tradition fort, wonach der Assistent zum Chef aufrückt. An die vielen Erfolge von Helmut Schön mit seinen Weltklassespielern konnte er erwartungsgemäß nicht anknüpfen, obwohl es 1980 einen EM-Titel in Italien gab und er 1982 in Spanien Vizeweltmeister wurde.
Fazit: Nach Sepp Herberger und Helmut Schön hatte Derwall es schwer. Ich habe ihn bei mehreren Treffen auch als einen anderen Menschen im Gedächtnis: Das strahlend blonde Haar, lockerer und lebensfroher als seine Vorgänger. Eng mit ihm verbunden ist weniger der sportliche Erfolg als seine Bierwerbung (»Pilsnase«) geblieben, eine damals für einen Bundestrainer sehr ungewöhnliche Aktion.


Franz Beckenbauer

1984 - 1990   Über ihn muss man wenig sagen, deshalb beschränke ich mich auf das Wesentliche. Die sportlichen Erfolge der »Lichtgestalt« setzte er als Bundestrainer auf anderer Ebene fort. WM-Titel 1990 in Rom, der Vizetitel 1986 in Argentinien und EM Halbfinale 1988 im eigenen Lande sind seine größten sportlichen Trainererfolge. Damit gelang ihm das einmalige Kunststück, sowohl als Spieler als auch als Team-Chef Weltmeister zu werden. Team-Chef wurde er, weil der DFB ihn unbedingt haben wollte, er aber keine Trainerlizenz besaß.
Fazit: Schon als ich ihn 1974 in verschiedenen Trainingslagern anlässlich der WM kennen lernte, hatte ich den Eindruck, Franz Beckenbauer konnte sagen und tun, was er wollte. Es wurde immer von allen akzeptiert, er war einfach eine Persönlichkeit, und meist gingen die Dinge auch gut. Er war der erste »Bundestrainer«, der aufgrund seiner persönlichen wirtschaftlichen Situation nicht DFB-abhängig und -hörig war.


Hans-Hubert Vogts

1990 - 1998  Auch ein Weltmeister von 1974, der sich als Trainer im DFB hochgedient hatte. Er rückte als Co-Trainer von »Kaiser Franz« auf, und größer konnten die Unterschiede wahrlich nicht sein. Der frühere Abwehrspieler (»Terrier«) musste sich sportliche und private Erfolge hart erarbeiten, und er war ein akribischer Arbeiter. Es gab Höhen und Tiefen, wobei einige Höhen dann die Wirklichkeit übertünchten, z.B. der EM-Titel 1996 in England. Ein negativer Höhepunkt des Deutschen Fußballs war die WM 1998, die dann auch endlich zur längst fälligen Ablösung führte.
Fazit: Sicherlich ein lieber Mensch, so wie ich ihn bei meinen Begegnungen in Erinnerung habe, der allerdings zum Lachen in den Keller ging. Es gab viele Spieler, die in Gesprächen oft darauf hingewiesen haben, dass die Freude und Lust am Fußballspielen nicht mehr vorhanden war. Mit der Position des Bundestrainers hat sich der DFB und er selbst keinen Gefallen getan. »Berti« wäre bestimmt ein guter Verwaltungsfachmann für den DFB, ein Job, in dem er möglichst wenig mit Menschen direkt zu tun hat.


Erich Ribbeck

1998 - 2000  Hatte schon die Berufung von »Berti« Vogts Verwunderung ausgelöst, so war die ganze Welt bei der Nominierung Erich Ribbecks wirklich verblüfft. Nicht nur Art und Weise der Trainerfindung, sondern auch die Wahl an sich überraschte. Es lohnt sich nicht, auf die sportliche Arbeit einzugehen.
Fazit: Bei den wenigen Begegnungen hatte ich immer den Eindruck, einem Mann aus der Modebranche gegenüberzustehen. Stets schick und redegewandt, aber im Prinzip ein unpassender Trainer für die Nationalmannschaft, nachdem bereits unter »Berti« zeitweise chaotische Verhältnisse anzutreffen waren. Positiv an dieser Berufung war, dass der DFB-Präsident durch sein Auftreten und seine Vorgehensweise - teilweise nach »Gutsherrenart« - endgültig den letzten Kredit in der Öffentlichkeit verlor und später dann auch Änderungen vorgenommen wurden.

Rudi Völler

2000 - 2004   Es konnte nur aufwärtsgehen! Die Berufung von Rudi Völler zum Teamchef war zum damaligen Zeitpunkt gut und richtig. Erfolge und Niederlagen wechselten, wobei letztlich die Erfolge überwogen, vor allem die überraschende WM-Vizemeisterschaft 2002 in Südkorea. Da alles noch in frischer Erinnerung ist, beschränke ich mich an dieser Stelle.
Fazit: Rudi war und ist eine ähnliche »Lichtgestalt« wie Franz Beckenbauer, aber wirklich nur ähnlich. Er kommt in den Medien und bei den meisten Menschen gut an. Das kann ich aus persönlichen Gesprächen bestätigen. Man kann ihm eigentlich nie böse sein. Und eine solche Person benötigte der DFB nach Berti Vogts und Erich Ribbeck.

Jürgen Klinsmann

seit 2004   Da sicherlich alle über die aktuellen Dinge bestens informiert sind, bleibt mein persönliches Fazit:
Jürgen Klinsmann ist für einen DFB-Trainer ungewöhnlich, sowohl in seinen Zielsetzungen, als auch in seiner Arbeitsweise. Er will sportlich nur ein Ziel, nämlich Weltmeister werden. Er polarisiert stark. Sein Auftreten in bestimmten Situationen als »Liebling aller Schwiegermütter« und seine immer wieder zur Schau getragene Zielorientierung überdeckt nach meiner Meinung sein Streben nach Eigennutzen. Gemessen wird er nach der WM 2006 im eigenen Lande. Er selbst hat die Meßlatte hoch angelegt. »Schaun mer mal«.

Artikel vom 15.03.2006