03.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der »Oscar«-Favorit

Im Gespräch mit Philip Seymour Hoffman (»Capote«)

Von Andreas Schnadwinkel
Berlin (WB). Sein Gesicht ist Filmfreunden unter anderem aus »Der Duft der Frauen«, »Magnolia«, »Der talentierte Mr. Ripley«, »Boogie Nights«, »Unterwegs nach Cold Mountain«, »Almost Famous«, »Roter Drache« sowie »Éund dann kam Polly« bekannt. Aber sein Name ist noch nicht so geläufig, weil die Hauptrollen bislang fehlten.

Das wird sich für Philip Seymour Hoffman mit dem Film »Capote«, der heute in den Kinos startet, ändern. Denn der Film über den berühmten US-Schriftsteller Truman Capote ist für fünf »Oscars« nominiert. Und Philip Seymour Hoffman geht in der Nacht zu Montag (MEZ), 6. März, neben Joaquin Phoenix (»Walk the Line«) in der Kategorie Bester Hauptdarsteller als Favorit ins Rennen. »Wir waren positiv überrascht. Die Nominierungen allein sind ja schon großartig«, sagte Philip Seymour Hoffman im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT am Rande der Berlinale.
Seine Laufbahn würde sich mit dem »Oscar«-Gewinn kaum verändern: »Meine Karriere läuft ziemlich gut, dafür bin ich sehr dankbar. Ich wüsste nicht, wie es noch besser gehen könnte. Ich stelle mir nie vor, was sein könnte, sondern mache das, was anliegt.« Bald könnte mehr anliegen, denn mit einem »Oscar« und der prominenten Bösewichtrolle in »Mission: Impossible 3« (Kinostart am 4. Mai) wird der Charakterdarsteller dem Massenpublikum bekannter.
»Capote« ist keine Filmbiographie im Stil von »Ray«, sondern behandelt nur sechs Jahre im Leben des Autors Truman Capote. Es geht um die entscheidende Phase, in der »Kaltblütig« entstand. Mit dem Buch über einen Vierfachmord in der Provinz erfand Capote den Faktenroman und schrieb Literaturgeschichte. In Deutschland ist der New Yorker Paradiesvogel vor allem aus der Kriminalkomödie »Eine Leiche zum Dessert« bekannt.
Ziemlich spät las Philip Seymour Hoffman »Kaltblütig«: »Da war das Drehbuch längst geschrieben. Mit Dokumentationen, Biographien und allem, was es über ihn gibt, habe ich mich vorbereitet. Capote war ein sehr spezieller Mensch, und das in jeder Hinsicht. Er war illusorisch.«
Im Prinzip sollte man sich »Capote« in der Originalfassung ansehen, weil die Rolle sehr von der weinerlichen, hohen und immer ein bisschen beleidigt klingenden Stimme lebt. »Allein für die Stimme habe ich sechs Monate lang mit Videos und Tonbändern geübt. Capotes Sprechweise war sehr eigen. Ich bin gespannt, wie die Synchronsprecher das hinbekommen haben«, so Philip Seymour Hoffman, der für den skurrilen Schriftsteller durchaus Sympathie gewonnen hat: »Capote war schon ein cleverer Bursche. Ich hätte ihn absolut faszinierend gefunden. Auch wenn viele seiner Zeitgenossen sicher auch schlechte Erfahrungen mit ihm machen mussten. Die Arbeit an ihm war sehr intensiv, die Rolle hat mich enorm beansprucht. Die beiden besten Tage bei dem Projekt waren die Zusage für die Rolle und der letzte Drehtag.« Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 03.03.2006