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Wirte warnen: Die Eck-Kneipe stirbt aus

Erste Stufe der freiwilligen Vereinbarung endet heute - Halbes Lokal für Nichtqualmer

Von Gerhard Hülsegge
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Die Zigarette zum Bier, das gemütliche Pfeifchen nach dem Essen - das soll es auch in Bielefeld bald nicht mehr geben: Im Bundestag formiert sich eine Mehrheit für das totale Rauchverbot in Gaststätten. Wie Gastronomen und Gäste reagieren, erfragte das WESTFALEN-BLATT bei einer Umfrage mit viel Zündstoff.

»Was verbieten wir denn als nächstes?« fragt Andreas Büscher provokativ. »Vielleicht den Alkohol?« Der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes betrachtet die Sache »mit gemischten Gefühlen«. Viele Gäste wollten rauchen. Und es gebe bereits genügend Regeln und Verordnungen, betont der Queller Hotelier. Da brauche man kein Nichtraucherschutzgesetz.
Was Büscher nicht versteht: »Da werden vom Staat einerseits Millionen für Kampagnen gegen das Rauchen ausgegeben, andererseits gewährt die Europäische Union Fördergelder für den Tabakanbau.« Das ist für den Mann vom Fach fast so paradox wie das Verhalten »militanter« Nichtraucher, die selbst einmal geraucht haben, gegenüber jenen, die vom Glimmstengel nun mal nicht lassen können oder wollen. »Trotzdem werden wir das generelle Rauchverbot in Gaststätten wohl nicht verhindern können«, meint er. Auch wenn das für so manche Kneipe »an der Ecke« das wirtschaftliche Aus bedeuten würde.
Noch gilt die freiwillige Vereinbarung zwischen Gesetzgeber und Gastgewerbe. Demnach sollen bis heute, 1. März, mindestens 30 Prozent aller Speisebetriebe rund 30 Prozent ihres Platzangebotes für Nichtraucher reservieren. Bis 2008 hat sich die Privatwirtschaft verpflichtet, ihnen mindestens die Hälfte der Plätze in 90 Prozent aller Gaststätten zu überlassen.
Das klappt nach Ansicht von Karl Lauterbach aber »nicht im Traum«. Deshalb gehört der SPD-Bundestagsabgeordnete, Gesundheitsökonom und Bruder von Schauspieler Heiner Lauterbach, der erst vor Tagen seine - mit vielen Lastern behaftete - Biographie am Teuto vorgestellt hat, zu den vehementesten Befürwortern eines Anti-Rauchergesetzes.
Ob sich danach die Tische auch im »Bernstein« in Bielefelds City leeren, weiß Betriebsleiterin Simone Baier noch nicht vorherzusagen. »Wir müssen abwarten, wie die Leute das auffassen«, erklärte die 30-Jährige. Noch gibt es am Jahnplatz über den Dächern Bielefelds keine rauchfreie Zone, darf jeder qualmen, wie und wo er möchte. Tagsüber macht davon fast ein Drittel der Gäste laut Baier regen Gebrauch, abends steigt die Quote gar auf bis zu 60 Prozent.
Ganz anders in der zum Restaurant umgebauten ehemaligen Martini-Kirche: »Glückundseligkeit« hängen hier nicht vom gemeinsamen Dinner unter Rauch-Sündern und Gesundheitsaposteln ab. Wer ungestört, vielleicht mit Kindern oder dem lungenkranken Opa, zu Abend essen möchte, kann dies in einem separaten Raum tun.
Das generelle Rauchverbot - eine Geißel der Gastro-Branche? Wer das glaubt, irrt. Geradezu »schön« fände Wolfgang Windau es, wenn es dazu käme. »Ich war schon kurz davor, das Rauchen in meinem Geschäft in der Obernstraße grundsätzlich zu untersagen«, verriet der Inhaber des »Café Knigge« im WB-Gespräch. »Mir fehlte nur der Mut, es auch durchzuführen.« So blieb es vorerst bei der Einrichtung von Nichtraucherzonen, leicht erkennbar am Fehlen von Aschenbechern auf den Tischen.
»Qualm beeinflusst auch den Genuss von Gebäck«, weiß der erfahrene Bäcker- und Konditormeister. Und lobt die Gaumenfreuden der Italiener: »Da meckert keiner, weil er nicht rauchen darf.« Neue Gesetzesparagraphen müssen seiner Ansicht nach nicht unbedingt her. Sein Sparvorschlag: »Die freiwillige Vereinbarung reicht.«

Artikel vom 01.03.2006