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Jüngere arbeiten länger

Einigung in Hamburgs öffentlichem Dienst - Scheitern im Südwesten

Berlin (dpa). Nach wochenlangen Streiks des öffentlichen Dienstes gibt es einen ersten Durchbruch: In Hamburg haben sich Arbeitgeber und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gestern auf einen Kompromiss geeinigt.

Im Südwesten sind die Tarifverhandlungen nach Arbeitgeberangaben vorerst gescheitert. Arbeitgeber-Verhandlungsführer, Mannheims Bürgermeister Gerhard Widder, sagte in Stuttgart: »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Verdi die Verhandlungen hat platzen lassen.« Es gebe noch keinen neuen Gesprächstermin. Zuvor waren die Arbeitgeber von ihrer Forderung nach einer generellen 40-Stunden-Woche abgerückt und hatten ein nach Alter gestaffeltes Arbeitszeitmodell mit durchschnittlich 39,7 Stunden je Woche angeboten.
In Hamburg soll die Arbeitszeit nach Lebensalter und weiteren Kriterien wie etwa Kinder in der Familie gestaffelt werden. In einer Urabstimmung sprachen sich gestern 42 Prozent für die Annahme des Arbeitszeit-Kompromisses aus. Nötig für ein Streikende waren mindestens 25 Prozent.
Mit dem Kompromiss in Hamburg gibt es erstmals eine Einigung in dem aktuellen Tarifkonflikt. Sie sieht unter anderem vor, dass Beschäftigte bestimmter Entgeltstufen künftig 39 Stunden pro Woche arbeiten, wenn sie jünger als 50 Jahre sind und keine Kinder unter zwölf Jahren haben. Wer in dieser Altersgruppe Kinder bis zwölf Jahre erzieht, soll 38,5 Stunden arbeiten. Für Beschäftigte älter als 49 Jahre gilt eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden.
Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring (CDU), misst der Hamburger Einigung keinen Vorbildcharakter bei. »Wir bleiben bei unserer Forderung nach der 40-Stunden-Woche.« Mit Blick auf das für den 10. März geplante Spitzengespräch mit Verdi sagte Möllring: »Ich habe immer gesagt, dass ich optimistisch in jede Verhandlung gehe. Aber ob sich dieser Optimismus hinterher bewahrheitet, muss man sehen.«
Der Verhandlungsführer von Verdi in den Auseinandersetzungen mit den Kommunen in Baden-Württemberg, Alfred Wohlfart, betonte, die Hamburger Einigung sei kein Pilotabschluss. In Baden-Württemberg wird über einen Tarifvertrag für die 220 000 kommunalen Beschäftigten des Flächenlandes verhandelt. In Hamburg ging es dagegen nur um 6000 Beschäftigte, zudem gilt der Tarifvertrag anders als im Südwesten nicht für Krankenhäuser und Kindertagesstätten.
Der Arbeitskampf hatte vor mehr als drei Wochen mit Streiks in Baden-Württemberg begonnen. Teilweise traten mehr als 30 000 Beschäftigte von Kommunen, Ländern und Universitäts-Kliniken in den Ausstand. Sie wehren sich vor allem gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 40 Stunden in der Woche.
In Hamburg wurden die Mülltonnen seit zwei Wochen nicht mehr geleert. Nach Angaben der Stadtreinigung hatten sich 30 000 Tonnen Müll angesammelt. An vielen Plätzen türmt sich der Abfall meterhoch. »Wir werden gut zwei Wochen brauchen, dass alles wegzuräumen«, sagte Sprecher Reinhard Fiedler.
Heute wird erstmals auch in Bremen gestreikt. Bis auf einige Notdienste sollen alle Kindertagesstätten geschlossen bleiben.

Artikel vom 02.03.2006