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Bielefeld - die Medienstadt in Ostwestfalen auch dank »WB«


Von Eberhard David,
Oberbürgermeister Bielefeld
Das Jahr 1946 ist in der deutschen Geschichte ein wichtiger Einschnitt. Die ersten freien Wahlen (Gemeinderatswahlen) auf deutschem Boden seit 1933 finden in Hessen, Württemberg-Baden und Bayern statt. Im Winter 1946/47 erstarrt das Land im Frost, es mangelt an Heizmaterial, die industrielle Produktion ist zum Erliegen gekommen, der tägliche Kaloriensatz liegt oftmals unter 1300 Kalorien.
Und trotz dieser Mühsal, trotz Hunger und Kälte ist die Gier der Menschen nach Freiheit und frei zugänglicher Information im ganzen Land groß. Das gilt natürlich auch für Bielefeld. In diese Zeit fallen in Deutschland zahlreiche Zeitungsgründungen, und so erscheint auch das WESTFALEN-BLATT 1946 zum ersten Mal. Eine freie Presse ist der Nachkriegsgeneration genauso wichtig wie das tägliche Brot.
Die angelsächsische Tradition, Meinung und Kommentar voneinander zu trennen, ist seitdem auch in deutschen Zeitungsredaktionen ein maßgebliches Statut. Objektive Berichterstattung, Trennung von Fakten und Meinung, Offenheit für andere geistige Strömungen und ein distanzierter, auch kritischer Umgang mit Staat und Parteien sind jetzt die Grundlage für journalistische Arbeit.
Das hat sich auf die Entwicklung unseres Gemeinwesens in den vergangenen 60 Jahren positiv ausgewirkt. Denn die Presse ist neben der Exekutive, der Legislative und der Jurisdiktion nahezu die vierte Gewalt im Staate.
Und so hat die Bedeutung der Medien für die Politik - gerade auch für die Lokalpolitik - in den vergangenen 60 Jahren stetig zugenommen. Neben den Zeitungen haben die elektronischen Medien von Radio über Fernsehen bis hin zum Internet einen enormen Einfluss auf die Meinung der Menschen gewonnen. Nur das, was in den Medien gewürdigt wird, wird auch wahrgenommen. Spitz formuliert kann man auch sagen, für die Öffentlichkeit ist nur das wahr, was in der Zeitung steht oder in der Tagesschau gemeldet wird.
Wer heute eine Tageszeitung abonniert hat, ist in der Regel älter als 40 Jahre - liest man in aktuellen Untersuchungen. Dem Medium Zeitung gehen junge Leser sukzessive verloren. Und das obwohl das Medium doch eigentlich zeitlos jung ist. Heute werden Kinder und Jugendliche in eine andere Medienkultur hineingeboren. »Crossmedia« - also Internet, Radio und Fernsehen - ist für die heutigen Jugendlichen schon Standard. So gibt es für sie zunächst keinen ersichtlichen Grund, Zeitung zu lesen. Hier müssen sich die Zeitungen etwas einfallen lassen, um den Anschluss an die junge Generation nicht zu verlieren.
Auch die Politik und die Politiker haben sich seit der Gründung des WESTFALEN-BLATTES stark gewandelt. Das Marketing von Politik, das »Verkaufen« von Inhalten bestimmt immer mehr den politischen Alltag. Und manchmal gewinnt man den Eindruck, dass die Kampagne selbst wichtiger ist als der Inhalt. Das eine oder andere Beispiel aus der Lokalpolitik der vergangenen 30 Jahre fiele mir schon ein.
Unlängst las ich, dass ein Politiker auch ein »Markenartikel« sein müsse. Dieser Aussage kann ich mich nicht anschließen. Die Produkteigenschaften eines Markenartikels können sich ja durchaus einmal ändern. Politiker sollten zwar lernfähig bleiben, sollten sich aber im Kern stets treu bleiben. Der erste »Medienkanzler« war übrigens - entgegen anders lautenden Gerüchten - Konrad Adenauer. Wer erinnert sich nicht an die Bilder vom urlaubenden Kanzler, der mit seiner Familie Boccia spielt. . .
Bielefeld ist eine Stadt der Medien. Als Bielefelds Oberbürgermeister darf ich auch feststellen, dass wir so etwas wie die Medien-Hauptstadt Ostwestfalens sind. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterhält ein eigenes Landesstudio in unserer Stadt. Mit Radio Bielefeld gibt es ein lebendiges Lokalradio, und wir haben einige Stadtteilzeitungen und Stadtillustrierte. Hinzu kommen die beiden Tageszeitungen, die in einem aktiven Wettbewerb um die Leserinnen und Leser stehen. Die Medienvielfalt in unserer Stadt - und das ist längst nicht mehr in jeder Großstadt so - ist zugleich auch ein Garant für die Meinungsvielfalt. Zwar muss nicht unbedingt immer alles gefallen was man liest, hört oder sieht, aber es würde doch etwas fehlen, wenn es das nicht gäbe.
Ich schätze am WESTFALEN-BLATT besonders seine Unabhängigkeit, die prononcierten Kommentare, die stets aktuelle lokale Berichterstattung und den umfangreichen Sportteil, der nah an unseren regionalen Sportvereinen ist. Die Lektüre des »WB« am Frühstückstisch gehört zu meinen morgendlichen Ritualen.
Ich wünsche dem WESTFALEN-BLATT auch für die weitere Zukunft alles Gute verbinde dies mit der Hoffnung, dass es gerade auch im »Lokalen« noch viele gute Nachrichten aus dem Rathaus zu melden gibt!

Artikel vom 15.03.2006