15.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die gute alte Tageszeitung hat längst neuen Schwung


Von Gunter Thielen Vorstandsvorsitzender Bertelsmann AG
In den letzten zehn Jahren sind die Tageszeitungen mehr als einmal totgesagt worden. Mit dem Aufkommen des Internets und dem Durchbruch der mobilen Kommunikation wurde dem Traditionsmedium prophezeit, dass seine Zeit gezählt sei. Zwar sinken die Auflagen der verkauften Tageszeitungen in ganz Europa seit Jahren, Marktanteile haben sich verschoben. Vielen Verlagen aber ist es gelungen, mit interessanten redaktionellen Angeboten und innovativen Werbeformen attraktiv für ihre Kunden zu bleiben.
Die gute alte Tageszeitung hat längst neuen Schwung bekommen, der einher geht mit neuen Themen und ansprechende Optik. Leser-Blatt-Bindung, Lesernutzen und Lesespaß wurden gestärkt. Den jüngeren Zielgruppen werden überzeugende Möglichkeiten zum Austausch geboten. Die Internetseiten der Zeitungen präsentieren sich mit SMS-Diensten, Chatrooms, Download-Angeboten oder Webblogs. Dazu kommt der Zusatznutzen, seine Abozeitung auf der ganzen Welt lesen zu können: Die E-Zeitung, die auch vom WESTFALEN-BLATT angeboten wird, macht es möglich.
Zeitungen haben aber auch ihre ursprüngliche Funktion behalten, die vielen Leserinnen und Lesern lieb und wert ist: Zeitungen bieten Heimat - das gilt insbesondere für Lokalzeitungen. Sie spiegeln das Leben in der Stadt und in der Region, in der wir leben und arbeiten, und sind gleichzeitig ein Fenster in die Welt. Über die Grenzen der Generationen und Einzelinteressen hinweg schaffen Zeitungen eine Plattform der Kommunikation, die wir alle dringend brauchen.
Das gilt auch für Bertelsmann. Zwar sind wir ein international ausgerichteter Konzern. Wir sind aber auch ein traditionsreiches Unternehmen, das seit 171 Jahren seinen Stammsitz in Gütersloh hat. In 35 Bertelsmann-Unternehmen in der Region arbeiten mehr als 11 000 unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie beeinflussen die Kaufkraft, die Kultur, die Gesellschaft, das Vereins- und das Freizeitleben. Und sie lesen Zeitungen. Deshalb sind die lokalen und regionalen Medien wie das WESTFALEN-BLATT für uns ebenso wichtig wie die »New York Times« oder die »Financial Times«.
Versuchen wir doch einmal, uns das Leben im Jahr 1946 vorzustellen, dem Jahr, in dem in Bielefeld die Lizenz für die »Westfalen-Zeitung«, später WESTFALEN-BLATT, vergeben wurde. Aus heutiger Sicht können wir uns nur fragen, woher die Menschen damals die Kraft nahmen, nach den Schrecken des 2. Weltkrieges mit so viel Mut und Zuversicht für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Wenn wir 60 Jahre später das deutsche Jammertal kritisch analysieren, müssen wir zum Schluss kommen, dass wir trotz vieler Probleme im weltweiten Vergleich sehr gut da stehen.
Deshalb war ich froh, dass wir im letzten Jahr die Kampagne »Du bist Deutschland« anstoßen konnten. 25 Medienunternehmen haben sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gestellt und die am meisten beachtete Kampagne mit sozialer Zielsetzung in der Geschichte der Bundesrepublik inszeniert. Wir haben schnell gelernt, dass die Deutschen raus wollen aus dem Jammertal. Vor allem jüngere Menschen sehnen sich nach einem Stimmungsumschwung - der sich auch bereits abzeichnet. Nur wenn wir die Dinge optimistisch angehen, wird sich das Konsumverhalten ändern und in Folge ein echter Aufschwung ausgelöst. Nur dann haben wir Chancen, eines der größten Probleme in Deutschland in den Griff zu bekommen: die hohe Arbeitslosigkeit.
Wir brauchen eine breite Diskussion um Eigenverantwortung und den Einsatz eines jeden Einzelnen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Bei dieser Diskussion spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Tageszeitungen, die eine hohe Glaubwürdigkeit genießen, können über die reine Nachrichtenvermittlung hinaus Hintergründe, Analyse und Einordnung bieten.
Sie können zum Katalysator einer Diskussion werden, die uns alle nach vorne bringt. Sie können uns von den vielen Menschen erzählen, die ihr Schicksal in die Hand genommen haben und Motor der Veränderung sind. Sie alle sind »Deutschland« und haben unseren Respekt vor ihrer Leistung verdient.
Ich wünsche dem WESTFALEN-BLATT weiterhin viel Erfolg!

Artikel vom 15.03.2006