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Becker ganz wacker


London Southwest 19, Burghley Road Nummer 16. Auf der Terrasse des Deutschen Hauses in Wimbledon steht Boris Becker und hält eine Flasche mit mexikanischem Bier in der Hand.
Der 7. Juli 1991 ist für das deutsche Tennis ein bedeutungsvolles Datum. Gerade ein paar Stunden zuvor haben sich Michael Stich und Becker im Wimbledon-Finale gegenüber gestanden. Der redselige Leimener hat es gegen den spröden Elmshorner glatt in drei Sätzen verloren.
Während Stich drinnen im Wohnzimmer Hof hält, hat sich der Unterlegene in den Garten verzogen. Mit Wehmut gibt Becker Einblick in die ihm wohlbekannten Gefühle eines großen Gewinners: »Der Michael wird jetzt ein paar Tage durch den Raum fliegen. Am Anfang ist es am schönsten.«
Er dagegen hat eine unerwartet frühe Midlife-Crisis. Mit 23. Alt genug, um zurückzublicken: »Ich hatte das hier alles schön. Und niemals kann es mehr so sein wie früher.« Dann blickt Becker den Zuhörer lachend an, über sich selbst erstaunt: »Hört sich nach Ende an, was?« Dabei ist er an diesem Tag eigentlich auf dem Höhepunkt angekommen. Das Erreichen des Endspiels hat genügt, um in der Weltrangliste auf Platz eins zu klettern.
Er denkt an Stich, den neuen Wimbledonsieger. »Ich weiß genau, wie gut es ihm jetzt geht.« Und ihm? Die Niederlage tut weh, kein Zweifel. Doch Becker hält sich wacker und behauptet tapfer: »Es ist doch nur ein Tennisspiel.« Friedrich-Wilhelm Kröger

Artikel vom 15.03.2006