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WM-Projekt auf dem Prüfstand

Jürgen Klinsmann erläutert den Nationalspielern die Personalie Wörns

Frankfurt/Main (dpa). Jürgen Klinsmann geht seinen riskanten WM-Kurs auch nach dem umstrittenen »Fall Wörns« konsequent weiter - aber schon 100 Tage vor dem WM-Eröffnungsspiel steht sein mutiges Titel-Projekt auf dem Prüfstand.
Nachdem der Bundestrainer sein Personal in einer Teamsitzung auf seine kontrovers diskutierte Linie eingeschworen hat, soll morgen in Florenz erstmals nach fast fünfeinhalb Jahren in dem dreimaligen Weltmeister Italien wieder eine große Fußball-Nation geschlagen werden. »Wir möchten unsere Negativserie beenden«, sagte Klinsmann, dessen Pläne aber erst am 9. Juni gegen Costa Rica aufgehen müssen: »Bei der WM muss das Puzzle passen. Dann müssen die Spieler auf dem Leistungshöhepunkt sein«, betonte er.
Bevor der 20-köpfige Kader heute vom Rhein-Main-Flughafen nach Bologna startet, musste Klinsmann interne Skepsis zur Personalie Wörns ausräumen. Der Bundestrainer erläuterte den Spielern die Beweggründe für den Rauswurf des Dortmunders und war danach der Meinung: »Die Mannschaft hat es verstanden.« Auch Kapitän Michael Ballack schlug sich auf Klinsmanns Seite. Die Art und Weise der Kritik, mit der Christian Wörns auf seine Nichtnominierung reagiert hatte, habe der Bundestrainer nicht tolerieren können. »Und ich konnte die Vorgehensweise auch nicht verstehen«, betonte Ballack.
Klinsmann selbst richtete die ganze Aufmerksamkeit auf die Partie morgen (21.00 Uhr/ARD) im »Stadio Artemio Franchi« in Florenz. Der Vizeweltmeister will gegen Italien den nächsten Anlauf unternehmen, nach über fünf Jahren und inzwischen schon 16 Partien endlich wieder einmal einen Großen des Weltfußballs zu schlagen. »Wir würden gern einen drauf setzen gegenüber dem Spiel in Frankreich«, erklärte Klinsmann. Beim letzten Länderspiel-Auftritt im November in Paris war die DFB-Elf beim 0:0 nur knapp am Erfolg vorbei geschrammt.
Auch wenn sich Klinsmann von seiner Stammplatz-Forderung an seine WM-Kandidaten verabschiedet hat, sieht sein Mannschaftsführer in der regelmäßigen Wettkampf-Praxis die absolute Grundlage für eine erfolgreiche WM. »Über Spielpraxis geht nix. Man braucht sie, um an sein Top-Niveau ran zu kommen«, betonte Ballack, der nur wenig über die Teamsitzung zum »Fall Wörns« und die Anforderungen für die Defensivkräfte verriet. Der Trainer habe allerdings begründet, warum er lieber mit jungen Abwehrspielern agiert: »Metzelder ist einen Tick offensiver«, berichtete der Münchner.
Gerade in der Innenverteidigung werden der derzeitige Dortmunder Reservist Christoph Metzelder und Chelsea-Reservekraft Robert Huth besonders beobachtet. Beide bekamen gestern im Gegensatz zu ihren Kollegen zwei Trainingsschichten verordnet. Der am Knöchel verletzte Bernd Schneider setzte aus.
»Natürlich wird der Druck sehr groß sein, der auf dem Abwehrverbund lastet, weil der Fokus durch die ganze Diskussion auf den hinteren Bereich gerichtet ist«, sagte Metzelder. Sorgen darüber macht sich Klinsmann nicht: »Sie wissen, dass sie das absolute Vertrauen genießen und auch Fehler machen können.« Zwar weiß auch der Bundestrainer, dass ein Sieg in Italien die Skepsis am Jugendstil mildern und die heftigen Wogen glätten würde. Aber das sei nicht das Hauptanliegen: »Brandherde« werde es in bis zum WM-Start am 9. Juni gegen Costa Rica immer wieder geben. Klinsmann: »Es wird keine ruhige Zeit sein in den nächsten 100 Tagen. Die WM bringt mit sich, das Dinge kontrovers diskutiert werden.«
Die Aufstellung: Lehmann - Friedrich, Mertesacker, Huth, Lahm - Frings - Deisler, Ballack, Schneider (Borowski) - Asamoah, Klose

Artikel vom 28.02.2006