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Hohe Wellen und
Schnapsideen

Kuriose Folgen der Fußball-Pleite

München (dpa). Die bittere Länderspiel-Pleite in Italien schlägt weiter hohe Wellen, die am Wochenende von demonstrativer Rückendeckung für Jürgen Klinsmann bis hin zu grotesken Forderungen aus der Politik reichten.
Ausgerechnet der neue DFB-Sportdirektor Matthias Sammer stellte sich vier Tage nach der 1:4-Niederlage im ersten Testspiel des WM-Jahres hinter den WM-Kurs des Bundestrainers. Es halte dessen Weg, mit einer offensiven Spielweise und jungen Spielern bei der Weltmeisterschaft Erfolg haben zu wollen, »für richtig«, schrieb Sammer in seiner Kolumne für die »Welt am Sonntag«.
Der Ex-Nationalspieler rief wie zuvor schon Bayern-Manager Uli Hoeneß zum WM-Schulterschluss auf. »Es gibt keinen anderen Weg, und ich finde, dass alle die, die im deutschen Fußball Verantwortung tragen, diesen Weg unterstützen sollten«, erklärte Sammer.
Er hatte das Spiel in Florenz live verfolgt, was Klinsmann nach Informationen der »Bild am Sonntag« angeblich nicht passte. Sammer hofft bei Klinsmanns WM-Projekt auf den Faktor Zeit, der während der dreiwöchigen Turniervorbereitung zum Tragen kommen könnte. »Eine WM oder EM wird nicht im März entschieden. Die Vorbereitung beginnt mit Bundesliga-Ende, und deutsche Mannschaften sind dann schon oft zu echten Teams zusammengewachsen«, erklärte Sammer.
Auch Kapitän Michael Ballack setzt auf die Trainingslager in Sardinien und Genf sowie die Testspiele gegen Japan (30. Mai) und Kolumbien (2. Juni): »Wir brauchen einfach eine vernünftige Vorbereitung.« Es bestehe kein Grund zur Panik, meinte Ballack, weil ein schwaches Spiel im Vorfeld nicht ungewöhnlich sei: »Es ist wie immer vor großen Turnieren, dass die Erwartungshaltung nach unten geschraubt wird.«
Welche hysterischen Dimensionen die Diskussion um Klinsmann und die Nationalelf inzwischen angenommen hat, zeigte die Forderung von Politikern von CDU, SPD und FDP, die den Bundestrainer sogar vor dem Sportausschuss des Bundestages hören wollen. Der Ausschuss-Vorsitzende Peter Danckert (SPD) erteilte diesen Vorschlägen aber eine Absage: »Das ist eine Schnapsidee«, sagte er der »Netzeitung«.
Wenig hilfreich erscheint auch der von der »Bild am Sonntag« verbreitete Vorschlag des ehemaligen Bundestrainers Berti Vogts, »im April zwei weitere Testspiele in Deutschland zu machen«. Der internationale Spielkalender sieht bis Mitte Mai keine weiteren Länderspieltermine vor. Schon das Testspiel am 22. März gegen die USA ist ein freiwilliges Zugeständnis der Bundesliga gewesen.
Unabhängig vom Ausgang des USA-Spiels werden die Wogen vor dem WM-Start mindestens noch ein Mal sehr hoch schlagen - nach der Torhüter-Entscheidung. Der »Focus« berichtet heute, dass die Entscheidung zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann »unmittelbar« bevorstehe. Dabei könnte Klinsmanns Spielphilosophie für Lehmann sprechen, spekuliert das Magazin. Der Schlussmann des FC Arsenal gilt als der bessere Fußballer. Assistenz-Bundestrainer Joachim Löw dementierte aber gegenüber dem Fernsehsender Premiere: »Die Nachricht ist falsch. Es gibt noch keine Entscheidung. Der Respekt gebietet es auch, dass wir sie den Betroffenen zuerst mitteilen.« S. 2: Leitartikel

Artikel vom 06.03.2006