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Die Sowjetunion
friedlich beerdigt

Michail Gorbatschow wird 75

Von Friedemann Kohler
Moskau (dpa). Michail Gorbatschow hat das kommunistische Riesenreich der Sowjetunion friedlich beerdigt.
»Der 75. ist das letzte Jubiläum, das ich feiere. Danach beginnt das Alter«: Michail Gorbatschow.
Dafür ist die Welt dem letzten Generalsekretär und ersten und einzigen sowjetischen Präsidenten bis heute dankbar. Seine Landsleute, die an den Folgen des Zerfalls leiden, sind Gorbatschow dagegen immer noch böse. Am kommenden Donnerstag begeht der Friedensnobelpreisträger von 1990 in Moskau seinen 75. Geburtstag. Dazu soll auch Altbundeskanzler Helmut Kohl kommen, der vor einem Monat schon den 75. Geburtstag seines anderen russischen Freundes gefeiert hat, des Gorbatschow-Rivalen Boris Jelzin.
Nicht dass Gorbatschow die Sowjetunion abschaffen wollte - er wollte das erstarrte, von Wirtschaftsproblemen geplagte Imperium mit Hilfe von Perestroika (Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit) reformieren. Der am 2. März 1934 im Dorf Priwolnoje in Südrussland geborene Bauernsohn studierte Jura und machte in der Kommunistischen Partei Karriere. 1980 rückte der junge, redegewandte Funktionär in das Politbüro auf. Nach dem Tod der greisen Kreml-Chefs Breschnew, Andropow und Tschernenko in rascher Folge trat Gorbatschow im März 1985 an die Spitze der Sowjetunion.
Im Oktober 1985 verkündete er die »Beschleunigung«, später Perestroika, die Eigeninitiative und Markt in die Planwirtschaft bringen sollte. »Neues Denken« propagierte Gorbatschow auch in der Außenpolitik, für die er den Georgier Eduard Schewardnadse als Minister berief. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West ging zu Ende, Abrüstungsgespräche machten nach langem Stillstand Fortschritte. Die Sowjetunion wurde wieder Nachbar im »Gemeinsamen Haus Europa«. »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, mahnte er 1989 den DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker, der sich gegen jede Veränderung sperrte.
Wenige Wochen später fiel die Berliner Mauer, wie in Warschau dankten die Kommunisten auch in Ost-Berlin, Prag, Budapest, Bukarest und Sofia ab. Im Juli 1990 sagte Gorbatschow dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl die Wiedervereinigung und einen Truppenabzug aus Deutschland zu.

Artikel vom 27.02.2006