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Irakische Regierung
droht mit Panzern

Politiker und Geistliche versuchen Lage zu entschärfen

Basra (Reuters). Ungeachtet eindringlicher Aufrufe von Regierung und Geistlichen zur Ruhe hat sich die Welle der Gewalt im Irak am Wochenende fortgesetzt. Bei Anschlägen in mehreren Städten kamen mehr als zehn Menschen ums Leben, allein in der Hauptstadt Bagdad blieb es relativ ruhig.

Die Regierung kündigte an, notfalls Panzer einzusetzen, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Auch die USA äußerten sich besorgt. Ausgelöst wurde die Gewalt durch einen Anschlag auf eines der wichtigsten Heiligtümer der schiitischen Moslems in der vergangenen Woche. Seitdem kamen mehr als 200 Menschen allein in der Gegend um Bagdad ums Leben. Im südirakischen Basra wurde gestern ein Anschlag auf eine schiitische Moschee verübt. Der Polizei zufolge ging der Sprengsatz vorzeitig hoch und verletzte drei Attentäter leicht. Die Bombe sei in dem für rituelle Waschungen vorgesehenen Bereich der Moschee explodiert.
Kurz zuvor hatte der schiitische Prediger Moktada al-Sadr in der Stadt schiitische und sunnitische Moslems aufgerufen, am Freitag gemeinsame Gebete abzuhalten. Zum Zeitpunkt der Explosion sei Al-Sadr kilometerweit entfernt gewesen, erklärte die Polizei.
Bei einer Bombenexplosion an einer Bushaltestelle in Hilla südlich von Bagdad wurden fünf Menschen getötet und drei weitere verletzt. Die Explosion habe sich an einer großen Bushaltestelle im Zentrum ereignet, als gerade ein Kleinbus aus einer Garage fuhr, sagte ein Zeuge. Einem Polizisten zufolge war der Sprengsatz wahrscheinlich in oder an dem Bus angebracht oder am Straßenrand deponiert. An der Bushaltestelle hätten sich viele Menschen aufgehalten. Die meisten Einwohner Hillas sind schiitische Moslems. In den umliegenden Ortschaften hingegen leben hauptsächlich Sunniten.
Im nahe gelegenen Kerbela tötete eine Autobombe acht Menschen, etliche weitere wurden verletzt. In Bagdad herrscht seit Tagen eine Ausgangssperre, der Verkehr ist dadurch weitgehend zum Erliegen gekommen. Trotzdem wurden in der Nacht zu Sonntag zwei US-Soldaten durch eine Bombe getötet.
Wenige Stunden zuvor hatte US-Präsident George W. Bush in zahlreichen Telefongesprächen die führenden Politiker des Landes zur Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Krise aufgerufen.
Danach trat der schiitische Ministerpräsident Ibrahim al-Dschaafari gemeinsam mit Anführern der Kurden und arabischer Sunniten in einer Live-Übertragung vor die Kameras des staatlichen Fernsehens. Sie riefen die Iraker zur Einigkeit und zur Bekämpfung des Terrorismus auf und verurteilten die jüngste Gewaltwelle.
Die irakische Regierung und die USA hatten den Angriff auf die Moschee der radikalen Al-Kaida-Organisation zugeschrieben, die damit die demokratische Entwicklung des Iraks behindern wolle. »Das irakische Volk hat einen Feind: Das ist der Terrorismus. Und nur der Terrorismus«, sagte Dschaafari. »Es geht nicht um Sunniten gegen Schiiten oder Schiiten gegen Sunniten.« Er erklärte zudem, der politische Prozess müsse ohne Verzögerung fortgesetzt werden.

Artikel vom 27.02.2006