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»Schmutziges Geschäft
der Geheimpolizei«

Marianne Birthler eröffnet Stasi-Ausstellung

Bielefeld (MiS). Stacheldraht, ein Original-DDR-Grenzpfahl und ein Schild mit der Aufschrift »Grenzgebiet - Sperrzone« erwartet die Besucher am Eingang zur Stasi-Ausstellung im Historischen Museum. Nicht gerade einladend. Aber es geht auch um ein ernstes Thema, »das schmutzige Geschäft einer Geheimpolizei.«

So charakterisiert Marianne Birthler die Arbeit der DDR-Staatssicherheit. Birthler ist die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, kurz: die Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde. Sie sprach am Sonntag zur Eröffnung der Ausstellung »Staatssicherheit - Garant der DDR-Diktatur«. Bis zum 19. März steht sie Besuchern offen (das WESTFALEN-BLATT berichtete).
»Die Geschichte der Stasi ist keine ostdeutsche, sondern eine gesamtdeutsche«, sagte Birthler zur Eröffnung. Das belegt auch eine Zahl. Immerhin 1911 Anträge aus Bielefeld gingen seit ihrer Gründung bei der Behörde ein, davon 1487 auf Akteneinsicht. Viele persönliche Schicksale ehemaliger DDR-Bürger, die nach Bielefeld kamen, verbergen sich dahinter. Manche wollten Wiedergutmachung, manche einfach nur eine Klarstellung. Und Bielefelder wie der frühere Präses der Evangelischen Landeskirche, Ernst Wilm, wurden auch ausspioniert.
Wie perfide die Stasi vorgehen konnte, machte Birthler an der Methode der »Zersetzung« von Menschen deutlich. Sie wurden beim Arztbesuch mit der Diagnose schwerster Krankheiten konfrontiert, ihre Kinder wurden urplötzlich zu Schulversagern, in ihren Wohnungen wurde manipuliert - alles nur, um sie psychisch zu destabilisieren, zu zerbrechen.
Birthler betonte aber auch: »Die Stasi-Unterlagen sind ein historischer Schatz.« Erstmals auf der Welt stehe das Archiv des Geheimdienstes einer Diktatur wirklich offen, lasse sich nachvollziehen, wie die Herrschaft organisiert werden konnte.
Auf einer Strecke von Bielefeld bis Düsseldorf ließen sich alle noch vorhandenen Akten auslegen, und noch 300 bis 400 Jahre würde es dauern, bis auch die letzten zerrissenen Stasi-Akten wieder zusammengesetzt werden könnten. »Aber da hoffen wir auf ein neues Computerprogramm«, sagte Birthler.
Sie räumte auch mit einem Vorurteil aus dem Westen auf: »Die DDR-Bevölkerung war kein Volk der Spitzel und Verräter.« Nur etwa zwei Prozent der DDR-Bürger waren Stasi-Bedienstete oder fungierten als »IM«, informelle Mitarbeiter. »Und wer wollte, konnte sich dem auch entziehen.«
l Die Ausstellung ist mittwochs bis freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Führungen, auch für Schülergruppen, sind nach Anmeldung unter Tel. 0521/51-6333 möglich. »Erfahrungen beim Umgang mit den Stasi-Akten« ist das Thema eines Vortrages am Donnerstag, 16. März, 19 Uhr, im Museum. Weiterbildungsseminar für Lehrer sind am 8. und 9. März, 13 bis 17 Uhr, geplant.
www.bstu.de

Artikel vom 27.02.2006