25.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Angst ist größer als die Gefahr:
EU will besser informieren

Sondersitzung der Gesundheitsminister - Vorsorge gegen Vogelgrippe

Wien (Reuters). Mit einer Informationsoffensive will die Europäische Union eine Panik in der Bevölkerung angesichts der sich ausbreitenden Vogelgrippe verhindern.

Auf einer Sondersitzung in Wien seien sich die EU-Gesundheitsminister einig gewesen, die Krankheit sehr schnell und gemeinsam zu bekämpfen, sagte am Freitag die österreichische Ressortchefin Maria Rauch-Kallat als EU-Ratsvorsitzende. Für Menschen bestehe nur ein kleines Risiko. »Das steht im Widerspruch zum subjektiven Bedrohungsempfinden der Bevölkerung«, sagte sie.
Wichtig sei jetzt eine EU-weit abgestimmte Informationspolitik. Besonders betroffene Bevölkerungsgruppen müssten genau über das richtige Verhalten informiert werden. Die außerhalb der EU aufgetretenen Vogelgrippe-Fälle beim Menschen hätten durch richtiges Verhalten verhindert werden können.
Auch EU-Verbraucherkommissar Markos Kyprianou warnte vor Panik. »Die Botschaft bleibt: Aufmerksam sein, ohne alarmiert zu sein«, sagte er. Die EU habe alle nötigen Schritte zur Vorsorge ergriffen. Der Bevölkerung müsse erklärt werden, dass es sich um eine Tier- und nicht um eine Menschenkrankheit handele. Er verwies zugleich auf Pläne für einen EU-Notfallvorrat an Impfstoffen für Menschen.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt begrüßte diese Überlegungen. Sie halte einen solchen Vorrat auf europäischer Ebene für sinnvoll, wenn dies kein Ersatz für nationale Anstrengungen sei. »Die Mitgliedstaaten selber müssen ihre eigenen Vorräte auch anlegen, das kann auf europäischer Ebene kein Ersatz sein«, sagte sie.
Nachdem das gefährliche H5N1-Virus bei einer Ente in Überlingen am Bodensee sowie bei Wildenten in Schleswig-Holstein nachgewiesen worden ist, wurden im Radius von drei Kilometern um die Fundorte Sperrzonen eingerichtet. Der Zehn-Kilometer-Radius wurde zur Beobachtungszone ausgerufen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vor Panik. Trotz der neuen Fälle habe sich an der Gesamteinschätzung der Lage nichts geändert, da bisher ausschließlich Wildtiere betroffen seien.
Die verendeten Tiere im Landkreis Ostholstein seien am Marinestützpunkt in Neustadt sowie im Stadtpark des Ferienortes Timmendorfer Strand gefunden worden, sagte der schleswig-holsteinische Agrarminister Christian von Boetticher in Eutin. Zudem gebe es unter anderem in Nordfriesland und im Raum Neumünster drei weitere Verdachtsfälle, die untersucht würden.
Wegen des beginnenden Frühjahrs-Vogelzugs und der Nähe zu Mecklenburg-Vorpommern kämen die Fälle für Schleswig-Holstein nicht überraschend. Es sei mit einer weiteren geographischen Ausbreitung der Vogelgrippe zu rechnen. In Baden-Württemberg gibt es über die positiv getestete Tafelente hinaus nach Angaben von Agrarminister Peter Hauk keine weiteren Verdachtsfälle. Ein gehäuftes Vogelsterben sei in der Region nicht festzustellen.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde ein weiterer Fall in der Ortschaft Potthagen in Ostvorpommern gemeldet. In dem Landkreis war wie im Nachbarkreis Nordvorpommern und auf Rügen bereits vor einigen Tagen der Katastrophenfall ausgerufen worden. Eine Sprecherin des Loeffler-Instituts verwies darauf, dass bei den aus drei Bundesländern bestätigten neuen H5N1-Fällen noch geklärt werden müsse, ob es sich um die hoch ansteckende und damit gefährlichere Variante des Erregers handele. Mit Ergebnissen sei Anfang kommender Woche zu rechnen. An dem hoch ansteckenden Virus sind in Asien seit 2003 mehr als 90 Menschen gestorben. Die Krankheit ist bei direktem Kontakt vom Tier zum Menschen übertragbar.
An der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns lief die Suche nach toten Tieren weiter auf Hochtouren. Wie die Landesregierung mitteilte, wurden im Februar mehr als 2700 Vogelkadaver eingesammelt, von denen 2300 im Landesuntersuchungsamt getestet worden seien. Die gesamte Ostseeküste wurde am Freitag mit einem Polizeihubschrauber abgeflogen. Aus Niedersachsen wurde bisher kein Verdacht gemeldet.
Merkel sagte, es würden weiter alle nötigen Vorkehrungen getroffen, um eine Ausbreitung auf Haustierbestände zu verhindern. »Ich glaube, dass Deutschland hier gut aufgestellt ist«, fügte sie hinzu. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sagte, die Gefahr eines Übergreifens der Vogelgrippe auf Nutztiere sei »riesengroß«.
Der Vogelgrippeverdacht bei einem Truthahn auf einem Hof in Frankreich erhärtete sich. Allerdings steht bisher nur fest, dass das Tier mit einem Erreger der H5-Familie infiziert ist.

Artikel vom 25.02.2006