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Die deutsche Kader-Schmiede:
»Das Umfeld war einfach toll«

Auch Amelie Kober drückte im Sport-Gymnasium vier Jahre die Schulbank

Turin/Berchtesgaden (dpa). In der Heimat wurde mitgefeiert: Als Amelie Kober zur olympischen Silbermedaille raste, brach auch hoch über Berchtesgaden der Jubel aus.

Gemeinsam mit Thomas Schröder-Klementa, dem Direktor der Christopherusschule, freuten sich die Schüler des Skigymnasiums auf dem 1200 Meter hoch gelegenen Dürreck über die Snowboard-Sensation ihrer ehemaligen Mitschülerin bei den Winterspielen in Turin. »Das ist eine großartige Bestätigung unserer Arbeit«, sagte der für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Eduard Goßner, »aber schade, dass Amelie nicht mehr bei uns ist.«
Die Snowboarderin erinnert sich gern an ihre vier Jahre auf dem Skigymnasium. »Eine superschöne Zeit. Das Umfeld mit den Sportlern war toll«, sagte sie nach ihrem Silber-Coup in Bardonecchia. Das Internat im hintersten Zipfel der Republik, eine von 38 Eliteschulen des Sports in Deutschland, bietet wie nirgendwo anders talentierten Wintersportlern perfekte Bedingungen.
Die vom Christlichen Jugenddorf Deutschland (CJD) getragene Schule widmet sich seit 1970 neben der schulischen Ausbildung auch der Förderung von Leistungssportlern und gilt als die Kaderschmiede im deutschen Wintersport.
Mit der Sprungschanze am Kälberstein, einer Schießanlage für Biathleten, Loipen und Alpinstrecken sowie der Kunsteisbahn am Königssee ist die Außenstelle des Olympiastützpunktes München im nahen Umfeld mit allem ausgerüstet, was der Wintersportler braucht. »Außerdem sind wir mit sehr guten Trainer ausgestattet«, sagte Goßner, der es bedauerte, dass Amelie Kober nicht mehr zu den derzeit 150 Sportlern unter den 1000 Schülern und Schülerinnen gehört. Anders als in Österreich, wo etwa am Gymnasium in Stams in Tirol nur Skifahrer gefördert werden, stehen in Berchtesgaden alle Wintersportdisziplinen auf dem Stundenplan.
Der 18 Jahre alte Teenager aus dem oberbayerischen Fischbachau bei Miesbach, der mit 14 Jahren das Elternhaus verlassen hatte, bekam den schwierigen Spagat zwischen Sport und Lernen nicht mehr hin. Der damalige Wechsel aufs Gymnasium bedeutete für Amalie, dass sie mit Extra-Nachhilfe drei Jahre Französisch nachholen musste. Die 11. Klasse besuchte sie im Schnitt nur jeden dritten Tag. »Beides gleichzeitig ging nicht mehr«, sagte Kober.
Amelie verzichtete für Olympia aufs Abitur: »Es gibt noch viele Möglichkeiten. Ich bin erst 18«, sagte sie und schloss nicht aus, irgendwann ihr Abitur nachzumachen. Jetzt ist sie erst einmal zur Bundespolizei gewechselt. Dort wird Kober im Winter zum Snowboarden freigestellt und macht in den Sommermonaten eine zweieinhalbjährige Ausbildung zur Polizeimeisterin.
Amelie Kober gab sich wie vor ihr der dreifache Rodel- Olympiasieger Georg Hackl, Slalom-Olympiasiegerin Hilde Gerg oder Hermann Weinbuch, heute Trainer der nordischen Kombinierer, mit der Mittleren Reife zufrieden. Deshalb erinnert sich Goßner auch mehr an Langläuferin Evi Sachenbacher, die ein »hervorragendes Abitur« gemacht habe, oder an Langläufer Tobias Angerer, der in Turin Silber und Bronze gewann, und Skispringer Michael Uhrmann, die auf dem Dürreck ebenfalls ihre Hochschulreife erwarben.

Artikel vom 25.02.2006