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»Schädelfluten« im Kufenstüberl

Wie Bob-Pilot Andre Lange seinen historischen Doppel-Triumph feierte

Turin (dpa). Als Andre Lange (32) mit seinem historischen Double auf den Olymp raste, war der Dreifachsieg der deutschen Bob-Piloten perfekt. 22 Jahre nach dem Coup von Wolfgang Hoppe in Sarajevo fuhr der Zweierbob-Olympiasieger mit einem unangefochtenen Start-Ziel-Sieg auf uralten DDR-Kufen auch mit seinem »Vierer-Express« zum Erfolg.

Zuvor hatte Sandra Kiriasis den ersten Olympiasieg der deutschen Frauen errungen. »Das ist ein historischer Moment. Immerhin bin ich mit Nehmer, Hoppe und Lange ein Stück des Weges gegangen. Daher ist dies jetzt, auch im Zusammenhang mit meinem Unfall, der absolute Gipfel. Im Prinzip haben wir die Bahn jetzt vier Mal besiegt«, sagte Cheftrainer Raimund Bethge. »Gold-Bärchen« Lange, der den Russen Alexander Subkow und den Schweizer Martin Annen auf die Plätze verwies, ist nach Anderl Ostler (1952), Meinhard Nehmer (1976) und Hoppe (1984) der vierte deutsche Pilot, der das Double schaffte.
»Ich habe diesen Moment unheimlich genossen. Dieser Erfolg muss erst mal durch die ganzen Gehirnwindungen durch«, sagte Lange, der zu Mitternacht im Kufenstüberl flankiert von Sven Ottke und Rosi Mittermaier sein angekündigtes »Repertoire vom Schädelfluten bis zur Gesichtslähmung« mit einem Zwei-Liter-Weißbier begann.
Zu diesem Zeitpunkt war seine Crew verschwunden, die Anschieber Rene Hoppe, Kevin Kuske und Martin Putze nahmen im katholischen Gästehaus von Cesana erst mal eine Dusche. Zu den harten Getränken an der Cocktailbar war die Truppe dann wieder vereint, während die Trainer-Haudegen um Bethge, Nehmer und Heimtrainer Matthias Trübner abseits des Trubels den Erfolg begossen: »Ich freue mich für Andre, dass er es geschafft hat, die Nerven zu behalten. Er ist aus dem selben Stahl gehärtet wie wir damals«, meinte der mit drei Mal Gold und einer Bronzemedaille erfolgreichste Bob-Olympionike Nehmer.
2010 in Vancouver könnte Lange den heute 65-jährigen Nehmer übertreffen. »Die gesundheitliche Seite könnte bei ihm das Limit sein, denn er hat ja schon eine Karriere als Rodler hinter sich. Von dem Stand, den er heute erreicht hat, ist er erstmal am Olymp angekommen. Damit hat er sich selbst ein Denkmal gesetzt«, betonte Bethge. Lange, der am gestern Morgen wie seine Crew eine dunkle Sonnenbrille trug, meinte zu seinen Fernzielen nur: »Klar, ich möchte jetzt die vier Jahre bis Vancouver noch schaffen, aber nicht um jeden Preis.«

Artikel vom 27.02.2006