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Einer geht und geht und geht

Ohne Schrittzähler und Mühe, aber immer »durch die Stadt«


Von Stephanie Hennigs
Hätte »Einer« einen Schrittzähler -Êdie Erde hätte er schon mehrfach umrundet. Doch »Einer« zieht es nicht in die Ferne: In unserer Stadt, in unserem Dorf ist er Tag für Tag unterwegs, um die wohl beliebteste WESTFALEN-BLATT-Rubrik zu füllen. Und das seit Jahrzehnten.
Für viele Leser ist die Rubrik »Einer geht durch die Stadt...« unverzichtbar: Als erstes wandern die Augen beim Aufschlagen des Lokalteils nach links unten -Êdorthin, wo »Einer« Morgen für Morgen mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, Verbesserungsvorschläge macht oder auch lobt. Von der Hundehaufen-Last in der Hauptstraße, dem liebevoll geschmückten Maibaum bis zur Gefahrenstelle durch ein tiefes Loch im Asphalt: »Einer« hat seine Augen überall.
Auf den Weg gemacht hat sich »Einer« vor knapp 50 Jahren. 1957 war es, als Georg Vockel, damals Redaktionsleiter des WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATTES in Paderborn, zu einer täglichen Pflichtaufgabe der Paderborner Lokalredakteure machte. »Einer« ist seitdem eine feste Marke. Nicht nur in Paderborn, sondern seit einigen Jahren in allen Ausgaben - von Rahden bis Höxter, von Versmold bis Warburg.
»Einer« ist menschlich: Er schimpft und lobt, freut sich und tadelt, plaudert und ruft auf - und manchmal irrt er sich auch. So menschlich ist »Einer«, dass immer wieder Leser versuchen, die Identität des »Einer« zu enthüllen. »Wer ist das eigentlich genau, dieser Einer?«, heißt es dann. Vockel klärt auf: »Anfangs wurde die ganze Redaktion verpflichtet, genau hinzuschauen.« Doch »Einer« zog schnell Kreise: Nicht nur Redakteure füllen die Rubrik, auch viele Leser melden sich in den Redaktionen, geben Anregungen für etwas, das »Einer« auf den Punkt bringen soll. »Einer fand schnell ein riesiges Echo«, erinnert sich Vockel an die Anfänge.
Ein eigenes Postfach, ein eigenes Telefon hätte »Einer« sicherlich inzwischen verdient: Leserbriefe, Zuschriften, Anrufe folgen oft postwendend, nachdem »Einer« etwas bemängelt, herausgestellt oder angeregt hat. An einen besonders kurzen Leserbrief als Reaktion auf einen »Einer« kann sich Vockel noch gut erinnern. »Du alter Petzer!« stand da nur neben dem Absender.
Nicht immer passt es jedem in den Kram, was »Einer« denkt - denn »Einer« legt häufig den Finger in eine Wunde, kreidet eine Nachlässigkeit an -Êallerdings nie ohne ein Augenzwinkern.
»Einer« will nicht verletzen, sich bei Nachbarschaftsstreitigkeiten einmischen oder gar böswillig sein. »Mancher ÝEinerÜ führte auch zu riesigen Diskussionen«, erinnert sich Georg Vockel. In den 60er Jahren war es beispielsweise, als ÝEinerÜ kritisierte, dass eine große Schülergruppe eines Paderborner Gymnasiums ihren Sportunterricht unter freiem Himmel auf dem Stadtwall absolvierte. Die Laufgruppe behindere andere, kritisierte ÝEinerÜ damals.
»Daraufhin hat es eine Flut von Leserbriefen gegeben«, blickt Vockel zurück. Es wurde unter anderem angeführt, dass die Schüler sonst gar keine Möglichkeit hätten, draußen Sport zu betreiben. Der Studienrat sei durch die Diskussion so bekannt geworden, dass er kurz darauf an die Universität Paderborn berufen wurde, erzählt der langjährige Leiter der Paderborner Lokalredaktion.
»Einer« weiß jedenfalls genau, dass seine Rubrik viel gelesen wird. Denn wie wäre es sonst zu erklären, dass genau die Hecke, die die Sicht der Kinder auf ihrem Schulweg verhindert, direkt an dem Tag geschnitten wird, an dem »Einer« dies massiv kritisiert hat?
Nur eine von vielen positiven Folgen, die Grund für »Einer« sind, weiterhin Tag für Tag unterwegs zu sein.

Artikel vom 15.03.2006