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Aus Protest nur Privat-Rezept

Hausärzte wollen das neue Arzneimittelspargesetz boykottieren

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Aus Protest gegen das neue Arzneimittelspargesetz sollen Haus- und Fachärzte vom 1. April an nur noch Privatrezepte ausstellen. Dazu hat der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschland (NAV Virchow-Bund) aufgerufen.

Den Patienten werde empfohlen, die Privatrezepte bei der jeweiligen Krankenkasse vorzulegen, sagte der stellvertretende NAV-Landesvorsitzende in Westfalen-Lippe, Dr. Ernst-Rüdiger Osterhoff aus Preußisch Oldendorf (Kreis Minden-Lübbecke). Die Kassen müssten dann klären, ob sie die Kosten für das Rezept übernähmen oder ob der Arzt sein Verschreibungsbudget bereits überschritten habe.
Nach dem neuen Gesetz, das am 1. April in Kraft tritt, droht Ärzten ein Honorarabschlag, wenn sie zu teure Medikamente verordnen. Auf der anderen Seite gibt es für Ärzte, die am Patienten sparen, einen Bonus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht durch das Gesetz die Unterversorgung der Patienten zementiert.
Zunächst würden in den Arztpraxen Kassenrezepte mit dem Stempelaufdruck »Dies könnte ihr letztes Rezept sein« versehen, sagte Osterhoff. Als dritte Protestmaßnahme kündigte der NAV-Vertreter an, dass auf den Rezepten nur noch der Wirkstoff und kein spezielles Arzneimittel mehr aufgeschrieben werde. Die Apotheken müssten dann das jeweilige günstigste Präparate heraussuchen. Für die Ärzte bedeute ein solcher Preisvergleich neuen bürokratischen Aufwand. Der Kassen-Rezept-Boykott sei eine Aktion auf Zeit, sagte Osterhoff. Auch mögliche von Krankenkassen gegen Ärzte angestrebte Disziplinarmaßnahmen würden in Kauf genommen.
Auch der Verband »Freie Ärzteschaft« will »der Politik die Zähne zeigen« und hat die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in Deutschland aufgerufen, dass Arzneimittelspargesetz am 1. April nicht umzusetzen. Als erste KV habe bereits Rheinland-Pfalz einen solchen Schritt angekündigt, sagte Verbandsvorsitzender Martin Grauduszus.
Nach Informationen dieser Zeitung hat KV-Vorsitzender Dr. Carl-Heinz Müller bereits erklärt, notfalls auch sein Amt niederzulegen. Wenn sich eine KV weigere, das Gesetz umzusetzen, sei das jeweilige Landesgesundheitsministerium dazu gezwungen, einen Staatskommissar einzusetzen, der die Geschäfte weiterzuführe, sagte Grauduszus. Auch aus Schleswig-Holstein gebe es Signale, das Gesetz zu boykottieren. Der KV-Vorsitzende in Westfalen-Lippe, Dr. Ulrich Thamer hat betont, dass sich Ärzte »solche Lasten nicht länger aufladen lassen«.
Das neue Gesetz werde dazu führen, dass der zweite nationale Protesttag der Ärzte am 24. März in Berlin zu einer machtvollen Demonstration werde, sagte KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl. Durch das Gesetz würden weitere Praxen in den Ruin getrieben. Eine Totalblockade werde aber abgelehnt. Die KBV werde den 117 000 Hausärzten eine Strategie an die Hand geben, wie sie mit diesem schlechten Gesetz am besten umgehen könnten. Dies dürfe nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 25.02.2006