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Hartes Leben als Falkner
aus lauter Liebe zur Natur
Ein Besuch bei dem Japaner Hidetoshi Matsubara in den Bergen Japans
Der Mann mag keine Waffen, er geht lieber mit einem Falken auf die Jagd. Zwar wohnt er weit weg in Japan, aber spannend ist seine Geschichte allemal.
Ein eisiger Wind weht durch das tief eingeschneite Tal. Mehr als drei Meter hoch türmen sich die Schneemassen entlang des Weges, der immer tiefer in die Berge der nordostjapanischen Provinz Yamagata führt. In dem kleinen 100-Seelen-Dorf Tamugimata wohnt der japanische Falkner Hidetoshi Matsubara, in einem alten Holzhaus.
Plötzlich ertönt der Schrei eines Raubvogels aus dem Inneren des Bauernhauses. »Herein«, ruft Hidetoshi Matsubara mit freundlicher Stimme. Der kleine Mann sitzt in einem Holzstuhl, während auf seinem dick behandschuhten linken Unterarm, der auf der Stuhllehne ruht, ein imposanter Greifvogel thront. »Meine Greifvögel bedeuten mir alles. Die Tiere sind meine besten Partner, wir sind so etwas wie Kriegskameraden, ich könnte mich nie von ihnen trennen«. Seine drei anderen Greifvögel hocken derweil in Holzverschlägen unter dem Dach des alten Hauses.
Matsubara ist mit Leib und Seele Falkner, jemand, der statt mit Schusswaffen mit speziell trainierten Greifvögeln auf die Jagd nach frei lebendem Kleinwild geht. Von den heute noch gebräuchlichen Jagdarten hat die Falknerei - oder Beizjagd - mit die längste Tradition. Die Anfänge sollen bis ins 2. Jahrtausend vor Christus zurückreichen, als reitende Nomaden in Zentralasien auf diese Weise zu jagen begannen. Bereits vor der Zeitenwende gelangte die Falknerei nach Ostasien, später dann auch nach Europa, wo sie zu einem Freizeitvergnügen der Adeligen und zu einem Symbol für Reichtum und Macht mutierte. Noch heute wird die Beizjagd ausgeübt, vor allem im Orient, in Nordamerika und in Europa, darunter auch in Deutschland.
Für Matsubara ist das Jagen mit seinen Vögeln jedoch kein Hobby. Er tötet nicht zum Vergnügen, sondern damit seine Vögel und er leben können. »Ich trainiere mit den Vögeln und fange mit ihnen Tiere, die wir uns dann teilen - ich, meine Familie und meine Vögel.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Das sehe ich als etwas ganz Natürliches an.«
Inmitten der hochtechnologisierten Wirtschaftsnation Japan hat sich der Absolvent der Elite-Universität Keio vor mehr als drei Jahrzehnten gegen ein gesichertes Leben als Angestellter mit geregeltem Einkommen entschieden und zog stattdessen fern der Hektik japanischer Großstädte tief in die Berge, um fortan von der Beute, die er mit seinen Greifvögeln jagt, und der Ernte seiner Felder zu leben. Seine Eltern, die einst viel Geld in seine Universitätsausbildung investierten, sahen letztlich ein, dass er es ernst meinte. Nach dem Studium der Geschichte Asiens wurde er Schüler eines Falkners. Nachdem er zunächst bei seinem Lehrer gewohnt und gelernt hatte, zog er in eine Hütte an einem Fluss und lebte dort acht Jahre - ohne Strom und Gas und das im Winter bei hohem Schnee. Manchmal hält Matsubara auch öffentliche Vorträge und spricht dann von seinem Leben in der Natur, von der Freude, aber auch vom Scheitern und den Mühen, Schwierigkeiten zu überwinden. Dies alles hat ihn stark gemacht. Und das versucht er, auch jungen Menschen zu vermitteln.

Artikel vom 04.03.2006