15.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Regionalzeitung, ein hochwertiges Produkt, besteht den Wettbewerb


Von Christa Thoben,
NRW-Wirtschaftsministerin
Glaubt man notorischen Kultur- und Medienpessimisten, steht das Ende der Regional- und Lokalberichterstattung in Tageszeitungen unmittelbar bevor - seit mehr als 25 Jahren.
Zunächst waren es - angeblich - bedrohliche Fusions- und Konzentrationstendenzen auf dem Zeitungsmarkt der siebziger Jahre, dann folgten der Aufbau des Lokalfunks, die kostenlosen Anzeigenblätter und zuletzt das Internet, das den Nutzer mit Informationen geradezu überflutet: Von der Jahreshauptversammlung des Schützenvereins gleich nebenan über die Tagesordnung des Deutschen Bundestages bis hin zu Dokumenten aus den Archiven des Heiligen Stuhls, das weltweite Netz zaubert es im Sekundentakt auf den Bildschirm, wo und wann immer man will.
Dennoch hat sich das graphisch wie redaktionell hochwertige Produkt »Regionalzeitung« bisher bestens behaupten können: Die anspruchsvolle Abonnement-Tageszeitung mit ausführlicher lokaler Berichterstattung. Sicher, es gab und gibt - wie in vielen Wirtschaftsbereichen - Anpassungsprozesse, auch schmerzhafte. Wichtige Teile vor allem der Kleinanzeigenmärkte wie Immobilien, Gebrauchtwagen und Stellenangebote finden sich heute eher im Internet als in der Morgenzeitung. Mit der Zunahme der Ein-Personen-Haushalte sinkt der offenkundige Bedarf an »Familienzeitungen«.
Verlag und Redaktion des WESTFALEN-BLATTES halten sich nicht damit auf, Zeitgeist und Weltläufe zu beklagen. Die Blattmacher in Bielefeld haben nach kühler Analyse mit einem zeitgemäßen Erscheinungsbild und einem lesernahen redaktionellen Angebot (auch im Internet) auf die gewandelten Bedingungen des Marktes reagiert. Dabei hat man sich erkennbar auf die kaum verzichtbaren Stärken der Tageszeitung besonnen: Solide Informationsaufbereitung, lesernahe Berichterstattung und das sichere Gespür für Themen und Texte, die die Menschen in der Region erreichen.
Denn darin besteht die Chance der Abonnement-Tageszeitung im Zeitalter von Internet und Spartenfernsehen: in der tagtäglichen Nachrichtenflut das für die Leser im eigenen Verbreitungsgebiet Wichtige und Interessante zu entdecken, leicht fasslich zu erklären, kritisch zu begleiten und dabei das Wesentliche vom Unwesentliche zu trennen. In einer immer komplexer erscheinenden Welt ist es für unsere demokratische Kultur zwingend, wirtschaftliche und politische Sachverhalte auf den Punkt zu bringen, damit der Leser weiß, worum es wirklich geht.
Anders ist Teilhabe an demokratischen Prozessen nicht vorstellbar, sei es bei der Bürgerbeteiligung für das neue Baugebiet vor der Haustür, sei es bei Wahlen zum Landtag, zum Deutschen Bundestag oder zum Europaparlament.
Außerdem: Das Leben besteht nicht nur aus Politik. Gerade die regionale Tageszeitung mit ausführlichem Lokalteil, 27 sind es beim WESTFALEN-BLATT, versorgt ihre Leserinnen und Leser mit all dem, was manchmal den Alltag der Menschen mehr und intensiver berührt als die »große« oder »kleine« Politik. - Der Erfolg heimischer Unternehmen, die oft im Verborgenen ohne die lautsprecherischen Bemühungen von PR-Strategen wichtige Beiträge zum örtlichen Wirtschaftsleben leisten: durch Erfindungen, innovative Betriebskonzepte oder schlicht durch ein außergewöhnliches Betriebsklima.
- Gelungene Schulprojekte - von der mutigen Theaterinszenierung über Umweltprojekte bis zur Gründung von Scheinfirmen, mit denen Kinder und Jugendliche wirtschaftliche Abläufe kennenlernen. Eltern, Lehrer und Schüler freuen sich, »wenn es in der Zeitung steht«, ihre Arbeit gewürdigt wird und andere zur Nachahmung animiert werden.
- Nicht zu vergessen der lokale Sport: Hier kämpfen Sonntag für Sonntag die wahren Amateure um Tore, Punkte, Meisterschaften, fernab von Ablösesummen, Werbeverträgen und Transferliste, einfach so, weil es Spaß macht. Ehrenamtliche Trainer kümmern sich in ihrer Freizeit um den Nachwuchs und leisten so einen kaum bezifferbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Oft genug die einzige sichtbare Anerkennung: der Bericht, das Bild in der Lokalzeitung.
Und, und, undÉ Eine gut gemachte Regionalzeitung ist so bunt wie das Leben selbst. Egon Erwin Kisch, dem »rasenden Reporter« der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, hat man zugerufen: »Schreib das auf, Kisch!« Die Menschen wollen sich, ihr Leben, ihre Hoffnungen und Sorgen, das Alltägliche eben, im Journalismus wieder finden. Sie wollen weder belehrt noch indoktriniert werden, sie möchten Information, Unterhaltung und auch ein Stück Anerkennung für das, was sie leisten - fernab der großen Bühnen in Brüssel, Berlin oder Düsseldorf.
Wer - wie das WESTFALEN-BLATT und viele andere Regionalzeitungen - dieses publizistische Grundbedürfnis der Leserinnen und Leser zeitgemäß pflegt, der hat - immer noch und immer wieder - gute Chancen, auch in Zukunft seine Leserinnen und Leser in gedruckter Form informieren und unterhalten zu dürfen.

Artikel vom 15.03.2006