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60 Jahre jung - aus Tradition der Zukunft zugewandt

Leser-Treue verpflichtet - Wofür diese Zeitung verlässlich steht

Von Rolf Dressler,
Chefredakteur
Kein Zweifel, die »Pisa«-Lebendgeneration hat durchaus so ihre Schwierigkeiten mit dem regelgerechten Gebrauch ihrer deutschen Muttersprache, in Wort und Schrift. Dennoch - Zuversicht ist angesagt und allemal hilfreich - kann und wird sich das Blatt wieder zum Besseren wenden (lassen). »Wir« müssen es nur wirklich wollen.

Als Sachwalter und Mitbewahrer der Sprache, unseres wohl wertvollsten Kulturgutes überhaupt, darf und sollte sich in guter, gewachsener Tradition auch die seriöse gedruckte Presse verstehen. Denn wer verlässlich schreibt, der bleibt - sofern es ihm auf Dauer gelingt, sowohl harte Tagesnachrichten als auch erhellende Hintergründe und kommentierende Bewertungen zu Papier zu bringen. Auf Leser anregend wirkt naturgemäß nur, was glaubwürdig und inhaltlich schlüssig erscheint.
Apropos bedrucktes Papier: Wie oft gerade in den späten Jahren des ausklingenden zweiten Jahrtausends nach Christi Geburt ist namentlich auch den Tageszeitungen ein stetiger, ja, steiler Niedergang vorhergesagt worden. Doch entgegen all diesen Unkenrufen und gar Untergangsprophezeiungen behauptet die Spezies geradezu verblüffend beständig ihren festen Platz im riesengroßen Mediengetümmel zwischen Fernsehen und Internet, Magazin-Flut, lausig seichter Bilderblättchen-Magerkost und allerlei sonstigen Angeboten, bei denen man oft nur noch staunt, warum sich dafür - noch dazu gegen gutes Geld - überhaupt eine zahlungswillige Kundschaft findet.
Es kam beinahe einem Wunder gleich, wie viele überlebende Frauen und Männer schon ziemlich bald nach der Katastrophenstunde Null des Weltkrieg-2-Schlussjahres 1945 wieder erste Zuversicht fassten. Darunter fanden sich auch jene, denen gerade aufgrund der düsteren Erfahrungen mit der Hitler-Diktatur nur zu genau bewusst war, dass eine freie und unabhängige Presse einer der Grundpfeiler von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit ist.
Je mehr Jahre seither ins Land gingen, desto stärker erweist sich dies bis auf den heutigen Tag. An seinem Platz hier im schönen, le- bens- und liebenswerten Ostwestfalen hat auch das WESTFALEN-BLATT als eine der großen Regionalzeitungen des größten deutschen Bundeslandes den Lauf der Dinge prägend mitgestalten können. Dafür, in aller Bescheidenheit, empfinden Verlag und Redaktion der heimischen Mediengruppe Genugtuung und Dankbarkeit in der Rückschau auf den Gründungstag dieser Zeitung, den 15. März 1946. Und auf die wechselvollen, oftmals aufregenden und gottlob bisweilen auch beglückenden sechs Jahrzehnte, welche die Zeitungsmacher und ihre treue Leserschaft nun schon gemeinsam durchlebt haben.
Doch Lorbeeren welken nicht selten nur allzu rasch. Sich darauf auszuruhen empfiehlt sich tunlichst nicht. In diesem Wissen wollen und werden Verlag und Redaktion auch das siebte WESTFALEN-BLATT-Jahrzehnt angehen: beständig und mit der gebotenen Behutsamkeit, fernab presse-revolutionärer Anwandlungen. Was aber keineswegs heißen soll, dass das inhaltliche wie das äußere Erscheinungsbild auch dieser Tageszeitung, wo nötig, nicht mit Bedacht den Erwartungen des Publikums und dessen Informations- und Lesegewohnheiten angepasst werden kann.
Zukunftsnotwendig zu hegen und zu pflegen sind mehr denn je die lokale und die re- gionale Berichterstattung. Denn sie sind das kräftigste »Pfund«, das gerade eine fest verwurzelte, im besten Wortsinne bodenständige Zeitung wie das WESTFALEN-BLATT auf die Waage zu bringen vermag. Kein anderes Medium erreicht eine auch nur annähernd vergleichbare Informationsdichte und Informationsfülle gerade dort, wo die Leser zu Hause sind und wo sie Tag für Tag zuverlässig schwarz auf weiß nachlesbar erfahren, was sich rundum ereignet oder was für morgen und übermorgen da und dort zu erwarten ist.
Ortskundig bis auf den Punkt muss also mehr denn je gerade die Regional- und Lokalzeitung sein und bleiben, wenn sie vor den Augen und im Gesamturteil derer bestehen will, die täglich neuen Nutzen aus ihrem Informationsangebot ziehen möchten. Gleichviel, ob als feste, angestammte Abonnenten oder als Kioskkäufer.
Leser-Treue verpflichtet. Sie ist Ansporn, setzt den Maßstab, gibt der Redaktion die Orientierung bei dem Bemühen, die Nachrichten-Spreu vom Weizen zu trennen im bewegten Auf und Ab der Tagesereignisse. Ob auf dem Dorfe, in der Stadt oder wo auch immer in der großen, weiten Welt.
Denn der erste Grundauftrag des Journalisten ist und bleibt es, das Geschehen ringsumher widerzuspiegeln, so wie es sich darbietet. Zu- dem soll gerade auch die Ta- geszeitung wie die seriöse Presse überhaupt Zusammenhänge aufzeigen und beim Leser Sachinteresse für Themen wecken, deren Bedeutung ihm bislang verborgen geblieben waren.
»Eine Presse, die Mitleid hat, ist eine schlechte Presse« - man muss sich dieser Einschätzung des legendären Bundeskanzlers Konrad Adenauer aus dem fernen Jahre 1956 nicht vorbehaltlos anschließen. Aber vielleicht wollte der verschmitzte große »Alte von Rhöndorf« der Mitwelt ja auch nur eine ähnlich hintersinnige Botschaft übermitteln wie etwa die folgenden, vielzitierten Personen der zurückliegenden sechs Jahrzehnte:- »Wir Politiker sind alle Interview-Geschädigte«, meinte der CDU-Politiker Rainer Barzel 1964.- »Wenn man nicht haargenau wie die CDU denkt, fliegt man aus der SPD raus«, ulkte der großartige Berliner Kabarettist Wolfgang Neuss 1966.
Vieles von dem, was maßgebliche öffentliche Menschen zwischen 1946 und 2006 zum Besten gegeben haben, ist in den Zeitungsbänden auch des jetzigen 60-Jahre-Jubilars WESTFALEN-BLATT nachzulesen. Und in erfreulicher oder bestürzender Weise hat es an Aktualität häufig nur wenig oder gar nichts eingebüßt. Das deutsche Volk bestehe nicht nur aus Tarifpartnern, gab der Wirtschaftswundermann Ludwig Erhard 1962 zu Protokoll.
Und Italiens Film-Superstar Sophia Loren, schon 1958 mit reicher diesbezüglicher Erfahrung gesegnet, erklärte pressegerecht, wie für die Ewigkeit gedacht, es mache eigentlich gar keinen Spaß, einen Mann (sprich: Schauspieler-Kollegen) »zu küssen, wenn man dabei von hundert Technikern beobachtet wird«.
Sei's drum, das Unerwartete, das lange Erhoffte, das Erhebende und das Niederziehende - all dies erweckt immer aufs Neue des Menschen Aufmerksamkeit und alarmiert, fesselt und interessiert deshalb tagtäglich auch die Leute von der Tageszeitung.
In diesem faszinierenden Gewerbe können sich Beruf und Berufung vortrefflich verbinden. Den Nutzen davon sollen auch künftighin die WESTFALEN-BLATT-Leser, Geschäftsfreunde und Inserenten haben.
Dafür arbeiten Verlag und Redaktion.

Artikel vom 15.03.2006