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Warum der UN-Beauftragte Bayern nicht findet

Pisa-Vergleich: Statistisches Zahlenwerk soll das deutsche Schulsystem schlecht aussehen lassen


Zu dem Artikel »UNO fordert Chancengleichheit«:
Auf seiner Forschungsreise ins Innere des unbekannten Kontinents Europa hat der UNO-Beauftragte Vernor Muñoz aus Costa Rica anscheinend das sagenumwobene Volk der Bayern mit seinen etwa zehn Millionen Einwohnern nicht gefunden. Da wäre er nämlich auf ein ausgeprägt dreigliedriges Schulsystem gestoßen, das sich bei PISA auf Augenhöhe mit den weltweit besten Ländern befindet.
Die Leistungen Bayerns sind umso höher zu bewerten, als dort 20 Prozent der Jugendlichen Migrationshintergrund haben und oft aus schlecht integrierten Familien stammen, während etwa in den PISA-Spitzenländern Finnland und Japan die Migrationsquote nahe Null ist. Würde man die PISA-Leistungen nur der Eingeborenen erheben, wäre Bayern in Mathematik allein Weltspitze.
Durch PISA aufgerüttelt, hat Deutschland Anstrengungen zur besseren Integration der Familien mit Migrationshintergrund aufgenommen, wobei - entgegen der unbegründeten Meinung von Herrn Muñoz - die Sprache eine wichtige Rolle spielt. Sollten diese Anstrengungen wirklich Erfolg zeigen, so wird sich das deutsche Bildungsniveau insgesamt noch einmal deutlich verbessern, und zwar unabhängig von der Gegliedertheit des Schulsystems.
Das passt auf nationaler und internationaler Ebene vielen (bei PISA, in der OECD, in der UNO usw.) nicht in den Kram, und so wird noch allerlei statistisches Zahlenwerk ins Spiel gebracht, bei dem das deutsche und speziell das bayerische Schulsystem schlecht aussehen sollen, z.B. die Gymnasiumsbesuchsquote der »Reichen« gegenüber der der »Ärmeren«.
Dieser Quotient ist zwar offensichtlich nicht für den internationalen Vergleich geeignet, weil es außerhalb Deutschlands kaum Gymnasien gibt, für den Vergleich der deutschen Bundesländer hat er aber den »Vorzug«, dass Bayern mit 6,65 die - negativ gesehen - Spitze einnimmt, bei einem deutschen Durchschnitt von 4,01.
Dieser Quotient hat zahlreiche begriffliche Mängel, die ihn isoliert für den Gewinn irgendeiner sinnvollen Erkenntnis unbrauchbar machen. Das geht schon los mit der Rede von »Chance«, die in der wissenschaftlichen Statistik als Wahrscheinlichkeit gemeint ist, in der Veröffentlichung aber in der Form von »Chancen(un)gleichheit« als Verhinderung von Möglichkeiten suggeriert wird.
Die besondere Perfidie aber zeigt sich an folgendem Umstand: Der Quotient wurde mit zwei unterschiedlichen Methoden ermittelt, einmal »mit« und einmal »ohne Kontrolle der Mathematik- und Englisch-Kompetenzen«. Bei der zweiten Methode liegt Sachsen-Anhalt mit 10,44 vor Bremen mit 9,06, während Bayern sich mit 7,77 nahe beim deutschen Durchschnitt von 6,87 befindet. Im PISA-Bericht kann man nachlesen, dass das, was man mit diesem Quotienten messen wollte, irgendwo »zwischen« den beiden Methoden angesiedelt ist. An die breite Öffentlichkeit wurden aber nur die Ergebnisse mit der (negativen) Bayern-Schlagzeile gebracht.
PROF. DR. PETER BENDERUniversität Paderborn33098 Paderborn

Artikel vom 05.05.2006