01.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schiedsrichter-Weltmeister

Markus Merk: Die Welt
zu Gast beim Zahnarzt

Dr. Markus Merk ist, was die deutsche Nationalmannschaft und 31 andere Teams gern werden wollen: Weltmeister. Merk ist Weltmeister unter den Schiedsrichtern. Und das schon zum zweiten Mal. 2004 und 2005. Für 2006 hat er einen anderen Traum: Bei der WM möchte Markus Merk ein Spiel im heimatlichen Fritz-Walter-Stadion pfeifen.


Denn diese Arena, sie bedeutet für Merk ein Stück Heimat. Und die WM-Stadt Kaiserslautern, zu deren höchstem Berg, dem Betzenberg, schon Klein Markus sehnsüchtig hinaufblickte, ist sein Zuhause. Naja, fast. Merk lebt in Otterbach, keine zehn Kilometer von Kaiserslautern entfernt. Er ist ein echter Pfälzer Bub. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, würde ein Pfälzer Bub nicht eines Tages auch ein Fan des 1. FCK. Merk ist sogar Mitglied. Der Deutsche Fußball-Bund verlangt, dass jeder Schiedsrichter einem Verein angehört.
Seine Laufbahn als Schiedsrichter begann der pfiffige Knabe Markus als Zwölfjähriger. Als 18-Jähriger leitete er Spiele in der Verbandsliga, als 23-Jähriger in der 2. Bundesliga. 1988 debütierte Markus Merk in der Eliteliga - mit 26 Jahren als damals jüngster Unparteiischer. Vier Jahre später kletterte er auf der Karriereleiter ganz nach oben und wurde FIFA-Schiedsrichter. Der Beginn einer großen internationalen Laufbahn, die mit der Leitung des Endspiels um die Europameisterschaft 2004 in Portugal ihren vorläufigen Höhepunkt fand. »Ein Ritterschlag für mich«, sagt Merk.
Die Liebe zum Fußball vererbte ihm sein Vater Rudi. Der hätte es lieber gesehen, wenn sein Sprössling Fußballer geworden wäre. Denn so rechte Sympathie für die Spielleiter empfand Rudi Merk nie. Er war ja auch Trainer.
Natürlich hat den Vater die Karriere des Sohnes Stolz gemacht. Doch dass sich Markus Merk schon im Alter von zwölf Jahren für Spielleitung statt für Spielgestaltung entschied, ist ungewöhnlich. Um nicht zu sagen merkwürdig.
Markus Merk erklärt, worin er den Reiz seiner Arbeit sieht: »Es ist ein langer Weg, Leute zu überzeugen. Aber das macht Spaß.« Gerechtigkeit, Konsequenz, aber auch Herzlichkeit sind typische Merkmale. Alles das habe er von seinem Großvater geerbt. Opa Helmut, sagt Merk, sei bis heute sein großes Vorbild.
Als Schiedsrichter ist der 43-Jährige selbst zum Vorbild für andere geworden. Von weltweit 700 000 Referees der Beste zu sein, bewertet Merk als »eine tolle Sache«. Doch nicht nur für ihn sei das schön, »sondern für alle Schiedsrichter in unserem Land. Das tut uns in jeder Faser gut.«
Erst recht im WM-Jahr. Und besonders, nachdem der Hoyzer-Skandal das nationale Schiedsrichterwesen in seinen Grundfesten erschüttert hatte. Wenige Tage nach dem ersten tiefen Frust, erinnert sich Merk, sei die Kämpfernatur in ihm erwacht. Nicht nur in ihm, sondern in den meisten der 80 000 Schiedsrichter in Deutschland. »Das sind alles Supertypen. Und wir haben uns gesagt: Jetzt erst recht. Wir sind in der Pflicht, das zu tun. Jedem Fan im Stadion sind wir verpflichtet.«
Weil sich Dr. Markus Merk auch oder gerade gegenüber Menschen verpflichtet fühlt, für die der Besuch eines Stadions einen unerreichbaren Luxus bedeutet, ist er sozial engagiert. Seit 1991 kümmert er sich intensiv um die Sorgen und Nöte der Ärmsten der Armen in Südindien. Hier initiierte er verschiedene Entwicklungsprojekte, darunter Waisenhäuser, Schulen, ein Altenheim. Merk ist zudem Botschafter der Kampagne »Schützt Kinder im Krieg« des Internationalen Roten Kreuzes und der UEFA. »Ich weiß, dass es mir und meiner Familie sehr gut geht«, sagt Merk, der mit seiner Frau Birgit einen Sohn hat, Benedikt.
Wenn andere Urlaub machen reist der überzeugte Katholik zum Helfen nach Indien in den Ort Sogospatty - und das mehrmals pro Jahr. Im vergangenen Jahr hat ihm der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck unter anderem wegen seiner sozialen Leistungen das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht.
Seine Kaiserslauterner Zahnarztpraxis hat Dr. Markus Merk vor einem Jahr verkauft. Die Hilfsprojekte und das Schiedsrichtern füllen seine Zeit aus. Merk veranstaltet trotzdem auch Management-Seminare in ganz Deutschland. Schwerpunkt: »Die sichere Entscheidung«.
Da ist Merk Vollprofi. Die sichere Entscheidung wird ihm während eines Spiels x-fach abverlangt. Merk nimmt den Schiedsrichterjob sehr ernst. Früher sogar so ernst, dass ihn die französische Zeitung L'Equipe mal »den Schiedsrichter, der niemals lacht« nannte. Dabei lacht Merk sehr gerne. Sein Lebensmotto lautet: »Das Leben findet heute statt. Ich will jeden Tag Spaß haben.«
Den hat Markus Merk auch auf dem Fußballplatz. Sogar so viel davon, dass er froh ist, dass die Halbzeit nur 15 Minuten dauert »und die Partie endlich weiter geht«. Merk schwärmt: »Ich freue mich über jeden guten Spielzug, über jedes tolle Tor. Ich habe einen der besten Plätze im Stadion.« Einen der besten Plätze mit Sicherheit. Um den werden ihn viele Fans beneiden. Um seine Aufgabe dagegen nicht. Schiedsrichter sind nicht besonders beliebt. Im Gegenteil. Zahnärzte aber auch nicht. Dr. Markus Merk zählt nicht zu den Menschen, die von allen geliebt werden wollen. Respekt ist ihm genau so wichtig.

Ein Beitrag von
Dirk Schuster

Artikel vom 01.03.2006