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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Vom jungen Mose - wie er als Säugling vorm drohenden Tod bewahrt wird, wie er, älter geworden, im Jähzorn einen Ägypter erschlägt und daraufhin fliehen muß - war vor einer Woche an dieser Stelle die Rede. Die Flucht führt ihn zu dem Nomadenvolk der Midianiter. Dort findet er seine Frau, die ihm einen Sohn schenkt. Seine Arbeit und sein Auskommen gibt ihm sein Schwiegervater, dessen Schafherde er hütet. Das läßt ein ruhiges, zumindest nicht gerade abenteuerliches Leben erwarten.
Vielleicht beginnt ihn das aber zu langweilen, und ihn erfaßt eine Sehnsucht nach Größerem und Bedeutenderem. Denn eines Tages zieht es ihn zum Horeb. Das ist keine beliebigen Erhebung, sondern gilt als »Berg Gottes«, als Stelle, an der sich Himmel und Erde berühren und man Gott näher sein kann. Da - allerdings nicht auf der Spitze, sondern am Fuße des Berges, in den Niederungen des Daseins, nicht auf den Höhenflügen - triff er auf etwas völlig Unerwartetes. Zunächst weckt es nur seine Neugier, zwingt ihn dann aber innezuhalten, um einen Weg vor sich zu sehen, den er nie vermutet hätte und freiwillig nie gegangen wäre. Er schaut einen Dornbusch, der brennt, aber nicht den Flammen zum Opfer fällt.
Zu spekulieren, was sich dahinter verbergen könnte, oder eine natürliche Erklärung dafür zu suchen, die Mose nur nicht kannte und einzuordnen wußte, hilft zum Verständnis nicht weiter. Was er wahrnimmt, verlagert vielmehr nach außen, was in ihm und mit ihm selbst vorgeht. Es ist ein Brennen, das einen Menschen aber nicht vernichtet, sondern reinigt, läutert und eine Entscheidung vorbereitet, der er sich letztlich nicht entziehen kann, ein absolutes Muß.
Wie von außen hört Mose nämlich seine innere Stimme, die ihn bei seinem Namen ruft, zweimal hintereinander, wie ein Ausrufezeichen und wie einen Doppelpunkt. Es geht um ihn selbst, um sein Leben und - das wird sich bald zeigen - um seinen Auftrag und seine Bestimmung. Auf solche Weise kann Gott einem etwas sagen, was man sich gerade nicht selber einredet und wünscht, sondern, was einem erst gesagt werden muß. Auf die Dauer gibt es davor kein Ausweichen; ein Mensch muß sich dem stellen, ob er will oder nicht. »Hier bin ich«, antwortet denn auch Mose, und damit fängt jede Geschichte mit Gott an: Ich merke, daß ich von ihm gemeint bin und er mir etwas zu sagen hat, das mich unbedingt angeht.
Zunächst aber heißt es: »Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!« Zweifellos ist damit auch eine Geste der Demut und der Ehrfurcht vor dem Heiligen gemeint. Der eigentliche Sinn aber liegt tiefer. Die nackten Füße symbolisieren, daß ein Mensch vor Gott ungeschützt ist, nichts verbergen und sich selbst nicht verstecken kann. Das aber braucht er auch nicht. Denn er darf all seine Probleme und - wie Mose - seine fragwürdige Vergangenheit mitbringen und sich selbst in einem Raum der Güte geborgen wissen.
Nur so und nicht anders will Gott einen Menschen gebrauchen und ihn erkennen lassen, daß sein Leben eine Bestimmung und er selbst einen Auftrag hat. Nicht jeder ist, wie Mose, berufen, vor einen König zu treten und für sein Volk die Freiheit zu fordern. Aber jeder hat auch an anderen eine Aufgabe. Wer das mißachtet, den läßt das Leben leer.
Doch gerade, wo es um seinen Auftrag geht, fühlt sich Mose zunächst nichts als verunsichert: »Wer bin ich, daß ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?« Er findet bei sich selbst nur Gründe, die dagegen sprechen. Wer bin ich, ausgerechnet ich? Es ist wohl generell so, daß einer lieber in seinen Selbstvorwürfen und Minderwertigkeitskomplexen steckenbleibt, als zu glauben wagt, daß Gott mit seinen Defiziten liebt und gebrauchen will. Aber darauf kommt es entscheidend an (nachzulesen: 2. Mose/Exodus 3).

Artikel vom 25.02.2006