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Ein gute Zeitung, die Halt und Orientierung bietet


Von Hans-Josef Becker,
Erzbischof von Paderborn
Wenn uns die Zeitung am Morgen fesselt, man aus der Überschrift in einen hintergründigen Beitrag gleitet, fängt das Tagewerk anders an. »Zeitungslesen des Morgens ist eine Art realistischer Morgensegen«, schrieb der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel.
Und wenn sie einmal fehlt, morgens vor der Haustür, bemerkt man den Halt, den eine gute Zeitung gibt. Sie bietet Raum für Information und Orientierung, dient der Kommunikation und Selbstvergewisserung. Sie nimmt aber auch Einfluss auf unsere Beziehungen, unseren Tagesablauf und bestimmt unsere Meinungsbildung wesentlich mit.
Das Medium Zeitung dient der Verständigung. Ein hoher Wert; denn Worte haben eine außerordentliche Kraft. »Sie können Menschen zusammenbringen oder entzweien, Bande der Freundschaft schmieden oder Feindschaft provozieren«, so hat es Papst Johannes Paul II. zum 39. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel zitiert. So stellt sich auch für die Zeitung die Frage: Wie kann ein humaner Gebrauch des Mediums Zeitung glücken? Das Grundrecht der Pressefreiheit ist wertvoll und nicht hoch genug einzuschätzen. Auch die Kirche hat die besonderen Gesetzlichkeiten der Presse, beispielsweise in Dekreten und Instruktionen des Vaticanum II, deutlich unterstrichen.
»Der Mensch und die Gemeinschaft der Menschen sind Ziel und Maßstab für den Umgang mit den Medien. Kommunikation sollte von Mensch zu Mensch und zum Vorteil der Entwicklung des Menschen erfolgen« (Ethik in der sozialen Kommunikation, 21).
Im Apostolischen Schreiben »Die schnelle Entwicklung« von Papst Johannes Paul II. an die Verantwortlichen in den Medien heißt es: »Auch die Welt der Medien bedarf der Erlösung durch Christus.« Eine vertiefte Betrachtung der Schrift könne helfen, die Vorgänge und den Wert der Medien mit den Augen des Glaubens zu sehen. Die Bibel erweise sich als »großer Codex« der Kommunikation. Ihre erlösende Bedeutung sei nicht vergänglich und beiläufig, vielmehr fundamental.
Papst Benedikt XVI. verpflichtete die Journalisten bei seiner Amtseinführung im April sicher mit Bedacht auf die Wahrheit und Würde des Menschen. Immer häufiger, so scheint mir, fließen heute Nachricht, Meinung und Kommentierung ineinander. Aber dieses Fahrwasser ist gefährlich.
Der Leser möchte selbst urteilen und spürt Einseitigkeit. Globalisierung und ökonomische Zwänge, vor allem die rasante Beschleunigung unseres Lebensumfeldes, machen den Zeitungen zu schaffen und führen zu inhaltlicher Konzentration. Doch meine ich: Sorgfalt verbunden mit Wahrheit in der Berichterstattung zahlt sich aus.
Das wünsche ich mir auch bezüglich der Berichterstattung zu kirchlichen Themen. Nichts schadet mehr als diffuse Religiosität. Neue Unübersichtlichkeit ist schon genug. Ich sorge mich um den Verlust von Kirchenkennern in den säkularen Medien. Wir werden damit den Menschen mit ihren konfessionell-religiösen Bedürfnissen nicht gerecht. Wir brauchen die Ermutigung zum christlichen Lebensstil - und deshalb auch Journalisten mit Kirchenbindung und kirchlichem Hintergrundwissen.
Der Zeitungsbeitrag zu Religionsthemen soll und darf keine verlängerte Kanzelpredigt oder Epistel sein. Auch hier gilt: kritisch und unabhängig Tatsachen sprechen lassen, mit Hintergrund und Zusammenhängen. Das dient der Wahrheit und den Menschen.

Artikel vom 15.03.2006